piwik no script img

Kunst aus dem Strafraum heraus

Rechtzeitig zur Auflösung festgefahrener Spielsysteme behandelt die Ausstellung Kick It! Schnittmengen aus Fußball, Werbung und Kunst. Vom Weg eines Sports, der nicht nur zum Produkt wurde, sondern längst selbst Imageträger für andere Waren ist

von OKE GÖTTLICH

„Für mich ist alles Kunst, was aus dem Leben hervorgeht“, sagt der brasilianische Junge in einem Werbefilm, bevor er sich umdreht und in dem verwahrlosten Parkhaus mit niedrigen Decken wieder in das Spielgeschehen eingreift. Ein Straßenfußballer, der massenwirksam das kitschige Bild des zukünftigen Schönspielers und kreativen Solisten in Szene setzt. Ein Mittel, das sich Werbefilmer erst später als die Kollegen der sportjournalistischen Zunft zu Eigen machten. Überzeichnungen der nationalen Stereotypen eingesetzt als pathetisches Mittel zur Konsumentengewinnung. Ein Vorgang, der Werbende, Filmende und Schreibende nur allzu selten voneinander unterscheidet.

Um die gegenläufigen Tendenzen außerhalb dieser oberflächlichen Schablonen herauszuarbeiten, haben sich der Engländer Andrew Thomas und Christian Zethner aus Dänemark mit Kick It! eine Ausstellung überlegt, die das Thema Fußball, Kunst und Werbung als kulturelles Austauschprojekt begreift. Als fußballverrückte Werber platzierten sie einen Text in einem internationalen Magazin für Werbefilmer und bekamen prompt Filme, Grafiken, Comics und Objekte aus allen Ecken der Welt zugesandt, die sich den Fußball zu Eigen machten und mit den Illusionen rund um das Spiel arbeiten. Inzwischen unterscheiden sich die Arbeiten wie verschiedene Fußballstile einzelner Nationalteams. „Teilweise trivial, teils mit Ambitionen und kritischen Aspekten“, beschreibt Peter Dietrich, der die Ausstellung in Hamburg betreut, das Sammelsurium. Die Trikots der tibetanischen Nationalelf liegen noch zusammengelegt übereinander, bevor sie am Samstag in Form eines F für Freiheit angeordnet werden. Neben diesen Objekten sind Werbefilme in Verbindung mit Fußball für Dietrich „mit die besten, die es überhaupt gibt. Ab einem gewissen Moment kann die Qualität der Werbung auch Kunst sein“, erklärt er zurückhaltend. Denn: „Häufig kommt in der Werbung keine Kunst raus, weil du vor dem Strafraum vom Kunden getackelt wirst, obwohl mehr Anspruch da ist“, ärgert er sich.

Dass die Ausstellung just in dem Moment ins Leben gerufen wird, in dem die weltbesten Fußballer einen neuen Kontinent für ihr Spiel begeistern, ist dabei durchaus geplant. „Es liegt auf der Hand, das Andrew Thomas, der in Japan arbeitet, auf so einen Idee kommen musste, oder?“ , fragt Dietrich. Wenn für Thomas derselbe Slogan gilt wie für den jungen Mann im englischen Oddset-Spot – Do you see football everywhere? – dann ja.

Ausstellungsöffnung: an den kommenden beiden Wochenenden (Sa. und So.) von jeweils 10-18 Uhr, inkl. Live-Übertragung der WM-Spiele. Ort: Lichtmaschine, Wohlers Allee 24 a

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen