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Schily opfert Asylbewerber

Der Zuwanderungswahlkampf hat schon begonnen – und ausgerechnet Otto Schily hat angefangen. Die anderen Parteien reagieren routiniert: CDU glaubt ihm nicht – Grüne wollen dagegenhalten

von LUKAS WALLRAFF

Otto Schily lässt sich nicht beirren. Die Kritik an seiner Forderung nach einer „Assimilierung“ der Migranten in Deutschland stört den Innenminister wenig. Statt auf die Proteste der Türkischen Gemeinde einzugehen, die ihm eine geplante „Germanisierung“ von Minderheiten vorwarf, legte Schily gestern nach.

Er habe nichts dagegen, wenn die Zuwanderung zu einem zentralen Wahlkampfthema werde, sagte Schily den Stuttgarter Nachrichten: „Wir machen ja keine Politik, mit der wir Ausländer in Watte packen.“ Falls es daran noch Zweifel geben sollte, stellte Schily fest: „Asylbewerber müssen nicht integriert werden. Da bin ich entschieden dagegen.“

Für die Union ist der Innenminister allerdings nur ein Solist im Regierungslager, dem man keinen Glauben schenken darf. „Wenn sich Schily so äußert, geht es ganz klar darum, dass er die Forderungen der Union verbal übernimmt“, sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach der taz. „Es muss aber niemand die Sorge haben, dass diesen Ankündigungen irgendwelche Taten folgen – jedenfalls nicht bei einer rot-grünen Regierung.“

CSU-Landesgruppenchef Glos sprach von der „Narrenfreiheit, die die SPD-Spitze ihrem Vorzeigesheriff einzuräumen pflegt“. Der „Rüffel“ des SPD-Generalsekretärs Müntefering gegen Schily zeige aber: „Die SPD hält unbeirrt Kurs auf die multikulturelle Gesellschaft.“ Das wiederum glauben die Grünen nicht.

„Die Äußerungen Schilys zeigen, dass es zwischen SPD und Grünen neben vielen Gemeinsamkeiten auch große Unterschiede gibt“, sagte der grüne Innenpolitiker Cem Özdemir der taz. Der Wunsch Schilys nach einer „Anpassung“ der Migranten werde „bei den SPD-Wählern sicher eher gut ankommen“, mutmaßt Özdemir. „Aber unsere Position ist eine andere. Wir werden im Wahlkampf dafür werben, dass sich in einer interkulturellen Gesellschaft beide Seiten aufeinander zu bewegen müssen.“ Setzen sich die Grünen jetzt also deutlicher von der SPD ab?

Die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck wollte ihren Parteifreunden gestern keine Tipps geben: „Ich bin nicht die Wahlkampfberaterin der Grünen.“ Beck selbst blieb eher defensiv und versuchte, die Warnungen der Union vor den angeblichen Folgen des Zuwanderungsgesetzes zu entkräften: „Es geht nicht um massenhafte Zuwächse.“ Sie schätzt die Zahl der künftigen Arbeitseinwanderer auf etwa 15.000 bis 20.000 pro Jahr.

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