Börsen(zusammen)schluss: Bremer Börse wird zur Nasdaq Deutschland
Virtuelles glattes Parkett
Fünfzehn Prozent des bundesdeutschen Aktien- und Rentenhandels will die zur Nasdaq Deutschland AG aufgestockte Bremer Wertpapierbörse AG (BWB) in fünf Jahren an der Weser abwickeln – mehr als zehnmal soviel wie derzeit. Das erklärte BWB-Vorstand Axel Schubert im Gespräch mit der taz. Bremen wäre dann nach Frankfurt einer der größten Börsenstandorte Deutschlands.
Den hanseatischen Aktien-Boom auf Kosten der Frankfurter Börse soll das in Deutschland bisher einmalige elektronische Handelssystem von Nasdaq bringen. Anstatt des bislang üblichen Parketthandels, bei dem Börsenmakler als reine Vermittler Kauf- und Verkaufswünsche der AnlegerInnen unter einen Hut bringen, schlagen beim Nasdaq-Modell sogenannte „Market Maker“ von sich aus einen Preis für Kauf und Verkauf von Aktien vor. Die Händler stehen dabei untereinander in Konkurrenz. Die von ihnen angebotenen Kurse dürfen zudem nicht schlechter als die an den Haupthandelsbörsen sein.
„Das elektronische Handelssystem ist zukunftsweisend“, sagt Schubert, und auch andere scheinen davon überzeugt zu sein: Mit Hilfe der Nasdaq Europe AG (50 Prozent), drei Banken (insgesamt 30 Prozent) und der Berliner Börse (10 Prozent) steigt das Eigenkapital der Bremer Börse, die rückwirkend zum 1. Juli in Nasdaq Deutschland AG umbenannt werden soll, von 1,2 auf 12 Millionen Euro.
Mit dem eigenen virtuellen Parkett hoffen die beteiligten Banken, einen Großteil des über sie laufenden Aktienhandels intern und damit ohne die lästige Börsengebühr abwickeln zu können. Funktionieren kann das aber nur, wenn der interne Markt auch groß genug ist – wenn also noch mehr Banken einsteigen.
In welchem Maße das geschieht, ist angesichts der schlechten Ertragssituation im Aktienhandel durchaus ungewiss. Die Hypo Vereinsbank etwa will zwar nach eigenen Angaben den Nasdaq-Handelsplatz zwar nutzen, eine finanzielle Beteiligung schloss ihr Sprecher jedoch aus. Bei der Bremer Börse heißt es: „Wir gehen da in ein riesiges Risiko.“
Zweifel am Bremer Börsen-Boom äußert auch der Uni-Finanzwirtschafts-Experte Thorsten Poddig. Das Nasdaq-System sei zwar in den USA ein großer Erfolg, der Kapitalmarkt in Deutschland aber viel kleiner und ganz anders strukturiert: „Ob das wirklich klappt, der Deutschen Börse AG in Frankfurt Marktanteile abzunehmen, ist fraglich.“ Die von Schubert avisierten 15 Prozent Marktanteil seien „reine Spekulation“.
Der Vergangenheit angehören wird ab dem Nasdaq-Start zum 1. Januar auf jeden Fall der traditionelle Bremer Parketthandel. Zugunsten des virtuellen Parketts wird er komplett nach Berlin verlagert. sim
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