Marler Freiheit

Ein Fotograf wurde von einer SPD-Wahlveranstaltung ausgesperrt, weil er angeblich polizeilich aufgefallen sei – wodurch, verschweigt das BKA

von ANITA FÜX

Gerhard Schröder lässt sich gerne fotografieren. Er ist ein Medienkanzler. Offenbar darf ihn aber nicht jeder ablichten. Roland Geisheimer jedenfalls bekam kürzlich mit dem Bundeskriminalamt (BKA) zu tun. Der freie Fotograf, der im Namen der Agentur attenzione auch für die taz arbeitet, wurde Anfang des Monats von einer Wahlkampfveranstaltung der SPD in Marl ausgeschlossen. Kriminaloberkommissar Rainer Schanz vom BKA-Vorkommando des Kanzlers verwehrte dem Journalisten aus Witten den Zutritt.

Dabei hatte Geisheimer, damit alles seine Ordnung hat, sich vorher für die Veranstaltung akkreditieren lassen – und, nebenbei, den Kanzler schon oft unbehelligt vor der Linse gehabt. Warum er dieses Mal abblitzte, wollte ihm der zuständige Beamte nicht erklären: „Das wissen Sie doch selbst am besten“, sagte er. Doch der Journalist tappt im Dunkeln. Mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei er bisher jedenfalls nicht. In seiner Vergangenheit hat Geisheimer gewühlt. Nichts. Abgesehen von seinem Protest gegen die Abschaffung des Artikels 16 Grundgesetz, als er noch Zivi war. Das dürfte ihn nicht gerade zum Staatsfeind Nr. 1 machen. Geisheimer ist politisch engagiert, aktiv gegen rechts – also ein Sicherheitsrisiko für SPD-Politiker? Der Fotograf räumt ein: „Ich habe Kontakt zu Antifaschisten, die vielleicht bei der Polizei als Linksradikale eingruppiert sind.“ Ist das der Grund für seine Aussperrung?

Dieses Herumrätseln nervt auch Christoph Domernicht, der als Rechtsanwalt im Ver.di-Landesbezirk NRW mit dem Fall Geisheimer betraut ist. Er spricht von „Ausuferungstendenzen gegen die Pressefreiheit“. Denn: „Um einen Journalisten von einer öffentlichen Veranstaltung auszuschließen, müssen die Erkenntnisse gegen ihn schon sehr schwerwiegend sein.“ Seine Kritik richtet sich auch gegen den BKA-Beamten, der dem Fotografen vor Ort die Auskunft verweigerte. In eigener Sache habe der Journalist ein Anrecht darauf, zu erfahren, wieso er beim BKA aktenkundig geworden sei. Die Maßnahmen des BKA und die „Geheimniskrämerei am Tag der Veranstaltung“ hält er für überwiegend nicht gerechtfertigt. Allenfalls die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und eine Gefährdung etwaiger Ermittlungen durch die Auskunft könne das Verhalten des BKA rechtfertigen, meint er.

Das BKA muss jetzt erst mal behördenintern ermitteln. Der Fall Roland Geisheimer liegt inzwischen auf dem Schreibtisch des BKA-Datenschutzbeauftragten. Bis der Fotograf eine Antwort erhält, kann es noch dauern, auch wenn der Vorgang den Stempel „Eilt“ trägt. Für Roland Geisheimer eine mehr als unerfreuliche Situation: „Inzwischen hätte ich schon drei weitere Termine machen müssen, auf denen der Kanzler beziehungsweise jemand aus seinem Kabinett aufgetreten ist.“ Doch derzeit traut er sich nicht, seinen Auftragspartnern solche Termine anzubieten. Die Gefahr, draußen vor der Tür stehen bleiben zu müssen, ist ihm zu groß. Allein die geplatzte Geschichte in Marl schlägt für Geisheimer mit minus 300 Euro zu Buche.

Ver.di-Anwalt Domernicht will nicht mehr lange stillhalten. Er strebt den Klageweg an. So könne man nicht mit Journalisten umgehen, sagt er.

Wie es Kommissar Schanz mit der Pressefreiheit hält, machte er am Telefon deutlich: „Das mit der Pressefreiheit macht sich jeder ein bisschen einfach, sich darauf zu berufen, ist kein Freifahrtschein.“ Geisheimer sei eben in der Vergangenheit polizeilich aufgefallen und von der Veranstaltung aus Sicherheitsbedenken ausgeschlossen worden. Schanz nennt es eine „Einzelfallentscheidung“ und meint, damit die Bedenken des Journalisten, zukünftig nochmal von Kanzlerauftritten oder anderen politischen Veranstaltungen fern gehalten zu werden, zerstreut zu haben. Schließlich könne Geisheimer fotografieren, wo er wolle, nur eben nicht auf dieser bestimmten Veranstaltung des Kanzlers. Ende der Diskussion.

Geisheimer war gestern Abend für eine SPD-Veranstaltung in Köln akkreditiert – in der Hoffnung, nicht wieder draußen bleiben zu müssen.