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Ode an den Kfz-Mechaniker

Es war einmal ein Königskind: Andrea Bongers wartet im Jungen Theater auf Prinzen und singt von Hühnersuppe

Was gäbe es schöneres als Prinzen zu küssen? 37 mal am Tag oder am besten ein Leben lang

Es ist der Traum aller kleinen Mädchen, es ist der Berufswunsch, der noch weit, weit vor Seiltänzerin und Eisverkäuferin rangiert. Es ist das ultimative, mit vielen Tränen durchgesetzte Faschingskostüm. Rosafarbener Tüll. Weiße Spitze. Funkelnde Diamanten, glänzendes Gold und ein Krönchen im Haar: ein Mal Prinzessin sein. Was könnte es sonst Schöneres geben im Leben?

Wenig, findet Andrea Bongers, Hamburger Allroundkünstlerin, denn sie ist selbst eine. Na gut, es gibt da ein paar Probleme. Die Herkunft zum Beispiel: Hamburg-Barmbek, Zweieinhalbzimmer-Wohnung, Sozialer Wohungsbau. Oder die Klamotten: Wunderschön, wirklich, aber eben doch nicht der Wohlfühlpulli für Neunzehn neunzig. Und dann erst die Sache mit den Prinzen. Man wartet und wartet und wer kommt? Der Klempner. Aber wenn in einem kleinen Mädchen aus Barmbek eine Prinzessin steckt, kann dann nicht auch der Klempner im Hausflur ein Prinz sein?

Mal schnodderig, mal kapriziös, mal großäugig-naiv singt Andrea Bongers in ihrem neuen Programm über die lebenswichtigen und oberflächlichen, die kosmetischen und die männlichen Sorgen einer Prinzessin des 21. Jahrhunderts. Sie ist die Barmbeker Göre, die glamouröse Grande Dame, der um Haltung bemühte Großstadtsingle. Federleicht und ungemein sympathisch schlüpft sie von einer Rolle in die nächste, hüpft von Musikstil zu Musikstil. Und das Ganze wird immer geschickt und schön unterstützt von Pianist Ralf Schwarz.

Am Keybord aufgepeppte Songs fügen sich mit schlichten Kinderliedmelodien, Chansonelementen und lässigem Hiphop-Sprechgesang zu einem überaus charmanten Abend, garniert mit besonderen Leckerbissen. Wann hört man schon mal soviel spanisches Feuer in einem Lied über Hühnersuppe? Wann bekommt man schon so bestechend zuckersüß die Wahrheit über Dornröschen verraten („Ich wurde schon 37 mal erweckt – ich will nur küssen...“)? Und vor allem: Wer sonst hat je so schön die Erotik des Kfz-Mechanikers besungen?

Da ist es zu verschmerzen, dass Bongers im Laufe des Abends ihr Prinzessinnen-Thema aus den Augen verliert und statt dessen fröhlich über Frau und Mann im Allgemeinen kabarettiert. Dennoch: Ein wenig mehr dramaturgisches Gespür von Seiten des Regisseurs Gerburg Jahnke hätte nicht geschadet. So ist die beinahe lebensgroße Puppe Heinz zwar bestens dazu geeignet, Andrea Bongers beachtliches Talent als Puppenspielerin und Stimmkünstlerin unter Beweis zu stellen – aber in das anfangs so überzeugend präsentierte Konzept des Programms wollen die Heinz‘schen Einlagen trotz aller Komik nicht so recht passen.

Doch wenn Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Andrea im nächsten Lied wieder so entzückend mit den Augen klimpert und die Zehen in den Goldschühchen spreizt, ist alles wieder gut. Prinzessinnen genießen nun mal Narrenfreiheit.

Bodil Elstner

Die nächsten Gelegenheiten zu einer Audienz bei der Prinzessin von Barmbek bieten sich heute, morgen und am Samstag jeweils um 20:30 Uhr im Jungen Theater.

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