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Die Zähmung des linken Lula

Der ewige Kandidat der brasilianischen Arbeiterpartei, „Lula“ da Silva, verbündet sich mit einem liberalen Unternehmer und will dadurch bei den Wahlen im Oktober bei Konservativen punkten. Seine Gegner setzen auf den Pakt mit den Finanzmärkten

aus Porto Alegre GERHARD DILGER

Der WM-Titel wirkt doch keine Wunder, jedenfalls nicht auf Brasiliens Devisenmärkten. Am Montag sackte der Real auf einen neuen Tiefstand, Banker beschwören noch immer Zahlungsunfähigkeit des Landes. Statt des „Ronaldo-Effekts“, auf den wendige Analysten gesetzt hatten, bleibt es beim „Lula-Effekt“.

Zum vierten Mal nämlich tritt im Oktober Luiz Inácio „Lula“ da Silva an, um Präsident zu werden – und seine Chancen stehen diesmal besser denn je. In Umfragen liegt der Kandidat der Arbeiterpartei PT bei 40 Prozent. Sein größter Widersacher, José Serra von der Regierungskoalition, bringt es nur auf die Hälfte.

Diese Aussicht bedrückt die einheimische Oligarchie ebenso wie internationale Anleger. Nur halb im Spaß stellte die New Yorker Bank Goldman Sachs ein „Lulameter“ vor, nach dem die Entwicklung des Real-Kurses mit den Wahlumfragen verknüpft wird. Steige Lula in der Wählergunst, sinke der Real und damit die Vertrauenswürdigkeit des brasilianischen Finanzsystems.

Die PT hält auf ihre Weise dagegen. Ihr Marketingspezialist Duda Mendonça hat Lula auf seriös getrimmt. Der ehemalige Gewerkschaftsboss tritt jetzt vorzugsweise im eleganten Zweireiher auf, Haare und grau melierter Bart sind akkurat gestutzt.

Den Nominierungsparteitag in São Paulo inszenierte Mendonça nach US-Vorbild mit Konfettiregen, Glitzersternchen, Lichteffekten wie bei einem Popkonzert und einer überdimensionierten Brasilienflagge im Hintergrund. 3.000 Delegierte segneten die Koalition mit der kleinen Liberalen Partei (PL) per Akklamation ab.

An der Seite von Lula zieht der Textilunternehmer José Alencar als Kandidat für die Vizepräsidentschaft ins Rennen. Die Partnerschaft mit dem gemäßigten Senator bezeichnet Lula als „neuen Sozialvertrag“ zwischen Arbeit und Kapital. In Wirklichkeit will er damit im bürgerlichen Spektrum jene Stimmen holen, die er zur absoluten Mehrheit in der Stichwahl am 27. Oktober dringend braucht.

Diese Strategie ist in den eigenen Reihen heftig umstritten: Nur 43 der 70 PT-Präsidialen haben der landesweiten Koalition mit der kleinen PL zugestimmt, in der konservative Pfingstkirchler den Ton angeben. Parteilinke wie Raul Pont empfinden diese neuen Bundesgenossen als Zumutung. Eine „Ansammlung von prokapitalistischen Opportunisten und Abenteurern mit einem konfusen Diskurs“ sei die PL, sagt der frühere Bürgermeister von Porto Alegre. Lulas wahltaktischer Pragmatismus werde kaum erfolgreich sein, denn in den meisten Bundesstaaten werde die PL-Basis für Lula „keinen Finger krumm“ machen. Mit der Koalition habe die PT einen „gefährlichen Weg“ eingeschlagen.

Anders als die Linken aus Südbrasilien vertritt die tonangebende Riege um Lula längst sozialdemokratische Positionen, und anders als früher stehen weder der Bruch mit dem IWF noch Verstaatlichungen im Wahlprogramm. Stattdessen propagiert der Kandidat – wie seine Konkurrenten – Exportförderung, Inflationskontrolle und die Erwirtschaftung von Haushaltsüberschüssen für den Schuldendienst. Ein spürbares Wirtschaftswachstum sei die Voraussetzung für soziale Reformen.

Doch Marktliberalen reicht das nicht. Mexikos Präsident Vicente Fox findet, Lula müsse noch „überzeugender“ werden, der neoliberale Guru John Williamson rät ihm zu einem „rationalen“ Wirtschaftskurs „nach dem Beispiel Tony Blairs“.

Doch damit sind Lulas Sorgen noch nicht zu Ende. Anderthalb Jahre lang bespitzelte ihn die Bundespolizei auf der Basis einer gefälschten Anzeige wegen angeblicher Immobiliengeschäfte. In Santo André, einer Industriestadt bei São Paulo, hörte sie gleich reihenweise PT-Politiker ab. Die Presse wartet begierig daruf, dass ihr kompromittierendes Material zugespielt wird. Schon jetzt haben täglich neue – und offenbar nicht ganz unberechtigte – Korruptionsvorwürfe gegen die PT-Stadtverwaltung den Nimbus der „sauberen“ Partei beschädigt.

Doch das sind Nebenschauplätze, denn die Regierung setzt wieder ganz auf den Pakt mit den Finanzmärkten. Schon die letzten beiden Wahlen verlor Lula auch wegen finanzpolitischer Schachzüge: 1994 hatte sich der jetzige Präsident Fernando Henrique Cardoso erfolgreich als Vater des Real und als Bezwinger der Inflation präsentiert. 1998 gewährte der IWF Brasilien ein Darlehen über 41,5 Milliarden Dollar, mit dem Cardoso den Real über die Wahl hinaus stabil halten konnte – auf Kosten der Staatskasse.

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