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Gezähmt durch den zarten Auftrieb für Rot-Grün

Heute treffen die Gewerkschafter den Kanzler. Um einen SPD-Erfolg nicht zu gefährden, halten sie sich mit Kritik am Hartz-Papier zurück

BERLIN taz ■ Für den heutigen Freitag hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die großen Gewerkschaftsbosse zu sich geladen, um sie von den Vorschlägen der Hartz-Kommission zu überzeugen. Im Vorfeld des Treffens scheinen die Gewerkschafter zur Einsicht gekommen zu sein, den zarten Auftrieb des Kanzlers in den Meinungsumfragen nicht länger gefährden zu dürfen. Denn auch sie wollen nach dem 22. September weiterhin eine rot-grüne Regierung.

Also machten die Gewerkschaften reihum kehrt, vergaßen ihre erste reflexhafte Ablehnung des Hartz-Papieres und finden nun so schlimm nicht, was sie einst verdammten: Verschärfte Zumutbarkeitskriterien für Erwerbslose, Ausweitung der Leiharbeit und Teilprivatisierung der Arbeitsämter – diese dicken Hartz-Brocken haben die Gewerkschaften größtenteils geschluckt.

Zum Treffen im Kanzleramt sind die Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der drei größten Einzelgewerkschaften geladen. DBG-Chef Michael Sommer äußerte sich gestern positiv zu den Hartz-Vorschlägen. „Wir sind mit im Boot“, sagte er der Zeit. Verstummt ist die Kakophonie, die während der letzten zwei Wochen aus der gewerkschaftlichen Dachorganisation zu hören gewesen war.

Auch die bislang kämpferische Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di stimmte in den vergangenen Tagen moderate Töne an. Vorstandsmitglied Isolde Kunkel-Weber zeigte sich optimistisch, dass ihre Gewerkschaft das Hartz-Papier mittragen werde. Die traditionell SPD-nahe IG Bergbau, Chemie, Energie und die gewichtige IG Metall hatten bereits früher Zustimmung signalisiert.

Vom Konsens zwischen Gewerkschaften, Kanzler und Hartz-Kommission bleibt aber ein wichtiger Punkt ausgenommen: Eine Kürzung der finanziellen Leistungen für Arbeitlose sei mit ihnen nicht zu machen, betonten die Gewerkschaften im Vorfeld des Treffens.

Vor knapp zwei Wochen, als Peter Hartz seine Vorschläge im Spiegel lancierte, war von einer Zustimmung der Gewerkschaften noch wenig zu spüren. Die dicken Hartz-Brocken würgten im Halse, beispielsweise bei der IG Metall. Noch am gleichen Tage verkündete deren Vorstandsmitglied Horst Schmitthenner: „Wer so etwas vorschlägt, kriegt Krach.“ Heute ist von Schmitthenner öffentlich nichts mehr zu hören.

Überzeugte Hartz-Anhänger sind er und seine Mitstreiter deswegen nicht geworden. In einem internen Papier der IG Metall, für das Schmitthenner verantwortlich zeichnet, werden neben den Leistungskürzungen auch die verschärften Zumutbarkeitskriterien für die Annahme neuer Jobs abgelehnt. Die Ausweitung der Leiharbeit und die Schaffung von „Ich-AGs“ seien ungeeignet, um Arbeitslosigkeit zu reduzieren, heißt es im Papier, das der taz vorliegt.

Doch das Schweigen der Kritiker muss nicht von Bestand sein. Ein anderes Vorstandsmitglied der IG-Metall sagte zur taz, der Streit um das Hartz-Papier werde nach den Wahlen erneut losbrechen – auch wenn sich Gewerkschafter und Kanzler heute einig werden. Nach dem 22. September müssen die Gewerkschaften keine Rücksicht mehr nehmen. Dann sitzt Schröder für weitere vier Jahre fest im Sattel – oder überhaupt nicht mehr. PHILIPP MÄDER

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