Auf den Spuren von Nowitzki

Die Seattle Supersonics haben sich die Rechte an dem 19-jährigen Basketballer Peter Fehse gesichert. Der Hallenser wird aber vorerst nicht in der NBA spielen. Er braucht noch ein bisschen Zeit, bis er Dirk Nowitzki, seinem Vorbild, in die USA folgen kann

aus Halle MARKUS VÖLKER

Der Kameramann des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) weist darauf hin, dass man jeden Verhaspler herausschneiden könne und er, Peter Fehse, also ganz locker drauflosplaudern soll. Die Sorge ist völlig unbegründet, denn der 19-Jährige, der gerade sein Abitur am Sportgymnasium Halle mit der Note 2,6 bestanden hat, legt los wie ein Medienprofi. „Ich wurde von den Seattle Supersonics an 49. Stelle gedraftet“, sagt er und blickt dabei völlig unbeschwert in die Kamera. „Ich bin jetzt ein Mitglied in der NBA. “

Vor wenigen Tagen noch war der Schlaks, der sich seine Sportschuhe – Größe 52 – im Internet bestellen muss, nur Mitglied des SV Halle, eines Drittligateams. In der Regionalliga warf der 2,12 Meter lange Fehse 17 Punkte im Schnitt. Doch deswegen fiel er nicht auf. Auch nicht allein wegen der Größe. Sondern vor allem wegen seiner Vielseitigkeit. Er kann Dreier versenken, Bälle in den Korb stopfen und besitzt auch sonst ein gutes Wurfhändchen. Sein Potenzial, sagt SV-Trainer Martin Pelzl, sei noch längst nicht ausgeschöpft, ein Limit nicht in Sicht.

So einen hatten sie schnell im Auge, die Scouts der NBA, die mittlerweile in allen Kontinenten nach Talenten spähen. Die NBA sucht vor allem „große Leute, die alles können“ (Pelzl), die dribbeln wie Allen Iverson, dunken wie Shaquille O’Neal und schießen à la Kobe Bryant. Fehse gilt als solch ein Allrounder. Sein Vorbild ist Dirk Nowitzki, der bei den Dallas Mavericks vormacht, wie man die verschiedenen Einzelteile zusammenfügt zu einem harmonischen Ganzen.

Letzten Sommer spielte Fehse bei einem Trainingslager in Treviso. Dort stach er dem damaligen Coach von Benetton Treviso ins Auge. Mike D’Antoni hatte zusätzlich einen Beratungsvertrag mit den Supersonics in der Tasche. D’Antoni übermittelte, der lange Kerl aus East Germany könne einer werden. In diesem Jahr geriet Fehse auch erstmals in Deutschland in den Blick. Beim Allstar-Spiel in Reihen des Rookie-Teams Nord machte er 24 Punkte und führte die Youngster zum Sieg.

Der Deutsche Basketball-Bund (DBB) stellte den Kontakt zwischen Fehse und dem Nowitzki-Mentor Holger Geschwindner her. Geschwindner, auf dessen Urteil in der NBA vertraut wird, schickte Fehse in den Draft, eine Art Spielerbörse, die die 29 NBA-Teams mit frischen Leuten versorgt. Fehse verfolgte den Draft vergangenen Mittwoch zu Hause vor dem PC. Frühmorgens um fünf lief dann die Meldung über den Ticker, dass Seattle zugeschlagen habe. „Das war überwältigend, eine ganz große Sache.“

Seattle verabredete sich mit Fehse übers Internet zu einem „Blind Date“, wie er selbst sagt. Denn der Deutsche erschien weder im Media Guide der NBA, noch existierten Videobänder. Die Verantwortlichen der Supersonics hatten ihn nie spielen sehen. Neulich, als eine Gelegenheit in Chicago bestand, konnte Fehse nicht aufs Feld gehen. Mit Krücke und geschwollenem Knöchel stand er in der Halle und „schämte sich ein wenig“. Sonics-Manager Rick Sund legte nach dem Draft offen: „Wir haben uns entschieden, das Risiko einzugehen. Wir haben auf das Urteil unserer Scouts vertraut.“

Fehse ist überzeugt, dass er dem Druck, der nun auf ihm lastet, widerstehen kann. „Ein Mensch wächst mit seinen Aufgaben“, sagt er selbstsicher, „mental bin ich für die NBA bereit.“ Er müsse sich freilich verbessern, Schritt für Schritt am „Ballhandling mit der linken Hand“ arbeiten und der „allgemeinen Toughness“. Besonders beeindruckt hat Fehse, der mit seinen 90 Kilo nach NBA-Verständnis untergewichtig ist, das rauhe, aggressive Spiel in den USA, „da fliegen die Ellenbogen nur so und ständig gibt es Cuts“. Gemeinsam mit Geschwindner will er im Einzeltraining die Übersee-Variante des Basketballs einstudieren. Nowitzki greift immer wieder auf das Know-how Geschwindners zurück, auch derzeit wieder, da sie in der Nähe von Bamberg trainieren.

Fehse will nicht wie ursprünglich geplant nach Treviso wechseln, sondern in der Nähe des Nowitzki-Machers bleiben. „Ich kann ihm zeigen, wie man Zeit spart“, sagt Geschwindner. „Mein Angebot zum Einzeltraining steht. Aber noch wird ihm das Talent von anderen unterstellt“, meint er skeptisch. „Es liegt an ihm, etwas zu beweisen.“

Die Situation ist alles andere als leicht für den 19-Jährigen. Seine Altersgenossen machen nach dem Abi-Stress erst mal eine kreative Pause, er muss die Optionen für eine vielleicht millionenschwere Karriere klären. „Ratschläge können auch Schläge sein“, weiß Geschwindner und stellt fest, dass „alles genau andersherum als beim Dirk läuft.“ Nowitzki war fraglos viel weiter, als er sich der Herausforderung NBA stellte. Aber Seattle plant mit Fehse nicht vor zwei, drei Jahren. „90 Prozent der Kerle scheitern im Kopf“, warnt Geschwindner, viele schössen sich mit Eitelkeiten ein Eigentor. Fehse versichert, auch diese Hürde nehmen zu können. „Meine Freunde halten mich am Boden.“ Im August geht es nach Seattle, zu einem Vorbereitungscamp. Dort werden sie ihn zum ersten Mal sehen. „Vielleicht kann ich sie ja überraschen“, hofft er, im positiven Sinn natürlich.

„Der geht seinen Weg“, ist sich Wolgang Mielke sicher, sein erster Trainer in Halle. Fehses Talent habe anfangs gar nicht so sehr durchgeschlagen, erinnert er sich. „Wirklich außergewöhnlich war sein Charakter.“ Er sei ihm als intelligenter Bursche aufgefallen, der im Team ausgleichend wirken konnte. Mielke holte Peter Fehse erst mit 14 zum Basketball, eigentlich viel zu spät für eine große Laufbahn. Der Sohn einer Sprinterin und eines Ruderers reifte beständig. 1999 wechselte er auf die Sportschule. Sein Trainingspensum stieg auf zwei tägliche Einheiten.

„Der Ball wird automatisch dein Freund, wenn man viel Zeit mit ihm verbringt“, sagt Fehse und befühlt dann seinen rechten Fuß, „ein hypermobiles Gelenk“, wie er erläutert. Wegen eines Bänderrisses wurde er nicht in die Auswahl für die WM im August berufen, obwohl Bundestrainer Henrik Dettmann eine Menge von Fehse hält und seine „motorischen Fähigheiten“ preist.

„Ich habe noch genug Zeit, mich zu beweisen“, sagt Fehse ohne Enttäuschung. Der Kameramann lächelt bei diesem Satz und hält ihm den gereckten Daumen entgegen. Bei den folgenden Worten applaudiert er ihm fast: „Angst vor der NBA habe ich nicht, aber Respekt, denn sonst wird man übermütig.“