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Perfekte Amateure im Rechnerkreislauf

Die GAK-Ausstellung „The Music in Me 1 (Concerting an Exhibition)“ untersucht die Schnittstellen von Populärer Musik und Bildender Kunst. Dazu stellt der moldawische Kurator Octavian Esanu seine Internet-Favoritenliste zur Verfügung und macht den Weg frei in die weite Welt der Dekonstruktion

Neulich auf einem Festival in Barcelona. Eine blechern klingende Stimme begrüßt das Publikum, bedankt sich artig für die Aufmerksamkeit und wünscht viel Vergnügen bei der folgenden Show. Gut, mag man denken, zeitgenössische russische Künstler – in diesem Fall Alexei Shulgin – sind des Englischen eben nicht akzentfrei mächtig. Doch weit gefehlt. Ein Computer spricht mit uns, genauer gesagt „386 DX“. Und macht Musik. Shulgin tanzt derweilen mit Pferdeschwanz und Batikhemd auf der Bühne herum und bezeichnet sich selbst als ‚Operator‘. Hard- und Software transformieren Beatles-Hits in computergenerierte Klangsachen. Man muss sich fragen, wer hier eigentlich Star ist, wer Musiker.

Auch in der Ausstellung „The Music in Me 1 (Concerting an Exhibition)“, die derzeit in der GAK auf dem Teerhof zu sehen ist, steht „386 DX“ – ohne Shulgin. Man kann Stücke hören, könnte wohl auch eigene durch den rechnerkreislauf jagen. Ist der Rechner mit Maus, Kopfhörer, dem ganzen Kram jetzt ausgestellte Kunst oder deren Produktionsmittel? Fragen wie diese und auch jene nach der ‚Autorenschaft‘ der Künstlerinnen und Künstler stehen im Zentrum dessen, was hier präsentiert wird.

Der junge Kurator Octavian Esanu aus Moldawien, der „The Music in Me 1 (Concerting an Exhibition)“ für die Bremer GAK und die KSA:K im moldawischen Chisinau zusammengestellt hat, konzentriert sich – die Ausstellung eher „konzertierend“ als kuratierend, wie der Untertitel sagt – auf Projekte, bei denen es etwas zu sagen gibt über die Übergange von Bildender Kunst und Musik.

Populäre Musik“, unterstreicht Esanu, „mich haben weniger die ‚ernsthaften‘ musikalischen Zugänge interessiert.“ Unernst also? „Nein! Es ging eher darum, Projekte zu finden, die durch ihre musikalischen Bezüge in engem Zusammenhang mit dem täglichen Leben der Menschen sind.“ Betrachtet man die vierteilige Ausstellung, merkt man, dass solcher Projekte – Internet sei Dank! – weniger schwierig zu finden sind als auszuwählen.

Auf einer großen Leinwand gleich am Eingang kann man per Mausklick verschiedene Websites von einer Favoritenliste einsehen und hören. Weiter im Raum hängen Kopfhörer von der Decke. Nach dem Zufallsprinzip erwischt man musikalisch sehr unterschiedliche Projekte, vom Song über die Klangcollage bis zu „Deconstructing Beck“, einem Projekt, für das RTMark aus San Francisco von Becks Plattenfirma gehörig Ärger bekamen. Schließlich folgt, erneut auf großer Leinwand und – mit der Kopfhörermusik zusammen immer neu ‚kontextualisiert‘ – eine Sammlung von Videos und Kurzfilmen. Vier Stunden Material in Endlosschleife.

„Sie sind Amateure, und das sind sie perfekt. Man kann kaum sagen, wo Professionalität beginnt, wo Amateurism endet“, schreibt Jonathan Miler in den Liner-Notes zum Bandprojekt „For Those About To Rock“ der amerikanischen Visual Artists Allen, Gordon und Monk, das in einem der Kopfhörer pluckert. „The Music in Me 1 (Concerting an Exhibition)“ zeigt interessante wie wohlfeile Projekte aus Musik, Web- und Videokunst. Die Präsentationsform scheint den Galerieraum zu suspendieren. Abgebildet wird die Suchbewegung des jungen Kurators Esanu. Selber suchen macht schlau. Und bereitet ein ungewohntes Vergnügen.

Tim Schomacker

„The Music in Me 1 (Concerting an Exhibition)“ ist noch bis zum 31. August in der GAK auf dem Teerhof 21 zu sehen. Öffnungszeiten: Di-So, 11-18 Uhr

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