Silvio Berlusconi spaltet Italiens Gewerkschaften

Der Ministerpräsident vereinbart mit zwei Arbeitnehmerorganisationen die Aufweichung des Kündigungsschutzes. Die größte will weiterkämpfen

ROM taz ■ Mit der Unterschrift von zwei der drei großen Gewerkschaftsbünde unter den „Pakt für Italien“ konnte Silvio Berlusconi am Freitagabend einen seiner größten Erfolge in seiner gut einjährigen Regierungszeit feiern. Als Ertrag kann der Ministerpräsident nicht nur verbuchen, dass er die Zustimmung der CISL und der UIL zu einer ersten Aufweichung des Kündigungsschutzes erhalten hat. Weit wichtiger dürfte sein, dass mit dem Abschluss die Spaltung des Gewerkschaftslagers und die von der Rechtskoalition angestrebte Isolierung des größten italienischen Gewerkschaftsbundes – der vor allem in der Industriearbeiterschaft deutlich überwiegenden CGIL – gelungen ist.

Noch im Frühjahr hatte sich eine breite Front aller drei Bünde formiert, um die Modifikation des bisher in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten geltenden rigiden Kündigungsschutzes zu verhindern. Nach der noch von der CGIL allein ausgerichteten größten Demonstration in Italiens Geschichte – am 23. März strömten zwei bis drei Millionen Menschen nach Rom – hatte der erfolgreiche Generalstreik der drei Gewerkschaftszentralen vom 16. April gezeigt, wie unpopulär das Reformvorhaben Berlusconis ist.

Doch hinter der vordergründigen Einheit verbargen sich schon damals tiefe Differenzen. Die linksorientierte CGIL erklärte und erklärt den Kündigungsschutz für unantastbar. Ihr Slogan lautet: „Arbeitnehmerrechte sind nicht verhandelbar“. Die katholische CISL und die gemäßigte UIL dagegen schlossen Verhandlungen mit der Rechtsregierung über eine Reform des Arbeitsmarkts keineswegs aus.

Beide Organisationen stellen das jetzt unterzeichnete Abkommen als großen Erfolg dar. Die Schutzregelung, wonach ein ungerechtfertigt gekündigter Arbeitnehmer das bindende Recht auf Wiedereinstellung hat, sei nur in einem Punkt zugunsten einer Abfindungsregelung aufgeweicht worden: für jene Betriebe, die dank Personalaufstockung die gesetzliche Schwelle von 15 Beschäftigten erreichen. Im Gegenzug habe die Regierung 700 Millionen Euro für die Verbesserung des Arbeitslosengeldes locker gemacht; in Zukunft gibt es ein Jahr statt wie bisher nur ein halbes Jahr lang Stütze; und im ersten Halbjahr wird die Zahlung von 40 auf 60 Prozent des letzten Nettolohns aufgestockt. Außerdem seien für kleine und mittlere Einkommen Einkommenssteuersenkungen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro jährlich durchgesetzt worden.

Die CGIL hält dagegen, dass Regierung und Unternehmerverband nicht nur eine erste Bresche in den Kündigungsschutz schlagen konnten, dem weitere Verschlechterungen folgen werden, nachdem das Prinzip einmal durchgesetzt ist. Auch die Gegenleistungen seien keine: CISL und UIL selbst hatten am Beginn einer durchgreifenden Reform der Arbeitslosensicherung stolze fünf bis sechs Milliarden Euro gefordert und bringen jetzt ein Taschengeld nach Hause; die Steuerreform dagegen bleibe sogar hinter den Ansätzen zurück, die seinerzeit von der Mitte-links-Vorgängerregierung verabschiedet worden seien.Die CGIL will denn auch mit allen Mitteln das Abkommen bekämpfen, das kein „Pakt für Italien“, sondern ein „Pakt für Forza Italia“ sei. MICHAEL BRAUN

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