: Der Wal liegt auf dem Trockenen
Wohnen – Arbeiten – Leben wollen Künstler in Weißensee. Doch ohne Senatsförderung klappt nicht mal der Hauskauf
In der Meyerbeerstraße 62 blättert Putz von den Wänden. Wohnungen stehen leer. Briefkästen sind demoliert. Ein Kunstparadies könnte hier entstehen, mit Fördermitteln für „wohnungspolitische Selbsthilfe“. Doch die hat der Senat gerade zusammengestrichen. Und der Förderverein Berliner Klein-, Film- und Videokunst steht auf dem Schlauch.
Das Projekt WAL (Wohnen – Arbeiten – Leben) will der Verein in dem Weißenseer Haus starten. Künstler wollen einziehen. „Wir wollen helfen, Künstler fit zu machen für den Arbeitsmarkt“, wirbt Vereinsmitglied Ronald Peinl. „Aber im Vordergund steht die Verbesserung der Wohnverhältnisse.“ Unter anderem ist ein Kino im Hof geplant. Und Jugendliche sollen zum Theaterspielen eingeladen werden. Aber dann kam im April die Absage vom Senat. Wegen der „drastischen Verschlechterung“ der Haushaltslage sehe sich das Land nicht mehr in der Lage, die Selbsthilfeprojekte zu fördern.
Rund 350 Häuser konnten seit Beginn 80er-Jahre aus diesem bundesweit einmaligen Fördertopf saniert werden – in Eigenregie und nach Plänen der Bewohner, auch wenn diese selbst kein Geld hatten. Ursprünglich als Befriedungsstrategie für Westberliner Besetzer gedacht, entwickelte sich das Programm zur kreativen Oase für Hausgemeinschaften mit sozialem, ökologischem oder kulturellem Anspruch.
Zu Jahresbeginn sollte das Programm vollständig gekappt werden. Nach Protesten blieb immerhin ein Restpöstchen übrig. Der Fördertopf wurde „nur“ um rund 85 Prozent auf 2,7 Millionen Euro gestrichen. Davon sollen nun Projekte profitieren, die jahrelange Vorarbeit geleistet haben. Neue Anträge werden komplett abgelehnt. Denn das Geld reicht für maximal drei Häuser pro Jahr. Auf der Warteliste stehen schon jetzt 19.
Auch der Meyerbeerstraße 62 droht somit das Aus. Aus eigener Tasche können die Künstler die Sanierung nicht zahlen. Und ohne gesichertes Sanierungskonzept rückt auch die Bank das angebotene Darlehen zum Hauskauf nicht heraus. Der unterschriftsreife Kaufvertrag würde im Papierkorb landen. Roland Peinl will noch nicht an eine definitive Absage glauben. Lieber denkt er darüber nach, wie man konkret an die Sanierung herangehen würde. „Wir haben Kontakte zu Leuten vom Bau.“ Eine Kostümbildnerin kenne einen Brunnenbauer. „Vielleicht kann der irgendwas mit Erdwärme machen?“ Doch auch ihm ist klar: „Wenn wir wirklich rausfallen, haben wir erst mal keine Alternativen. Dann stirbt das Projekt“.
Dann müssen sich die Kids von Weißensee wohl weiter mit dem Spielplatz gegenüber der Meyerbeerstraße begnügen. Da klebt Lasagne am Klettergerüst. Jogurtbecher liegen im Sandkasten verstreut. SUVA/GA
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