: Babcock-Borsig-Baisse
Wirre Strategien, teure Zukäufe, Fehlkalkulationen und die Karrierepläne des letzten Vorstandschefs haben den Konzern gekippt
BERLIN taz ■ Die aktuelle Krise bei Babcock-Borsig ist nicht die erste existenzielle Bedrohung des Oberhausener Unternehmens, das 1898 unter dem Namen Deutsche Babcock & Wilcox Dampfkessel-Werke AG gegründet wurde. Viermal hatte es seit Ende der 60er-Jahre, als der hauptsächlich auf Energieerzeugungsanlagen konzentrierte Konzern zusätzlich in Verfahrens- und Umwelttechnik zu investieren begann, große Probleme gegeben. 1996 stand die Existenz des Unternehmens dabei schon einmal auf des Messers Schneide.
Die ersten Probleme mit dem schnelle Wachstum und der Diversifikation zeigten sich in den 70ern und dann noch einmal in den 80ern, als Babcock Großaufträge für Kraftwerke zu billig ansetzte, mit Nachbesserungen hunderte Millionen verlor und erstmals auf die Hilfe von Banken und Landesregierung angewiesen war. Doch keinem der wechselnden Vorstandschefs gelang es, das Unternehmen zu konsolidieren. 1996 musste das Unternehmen aufgelaufene Verluste in Höhe von 440 Millionen Mark eingestehen. In einer konzertierten Aktion brachten Land, rund 50 Banken und die Belegschaft, die auf Lohn und Gehälter über mehr als 100 Millionen Mark verzichtete, das notwendige Geld auf – und forderten ein striktes Sanierungsprogramm.
Alle Hoffnung der Oberhausener – wie auch der Großaktionäre WestLB und Preussag (TUI) – lag damals auf dem neuen Vorstandschef Klaus Lederer. Bei seinem Amtsantritt im Februar 1997 gehörten 286 Unternehmen zu Babcock. Lederer konzentrierte den Konzern auf Energie und Schiffbau und senkte die Zahl der Beschäftigten von 32.400 auf nun noch 22.000. Dann aber startete er den Coup, mit dem er Babcock schließlich in den Ruin treiben sollte: Im März 1999 kaufte er 50 Prozent der Anteile an der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW), die nicht nur Marktführer bei konventionell angetriebenen U-Booten ist, sondern auch einen Brennstoffzellenantrieb entwickelte, der die Tauchdauer der Boote drastisch verlängert.
Lederer nutzte die Neuakquisition, um an Bares zu kommen. Anzahlungen auf U-Boote überwies die HDW direkt an die Konzernmutter weiter, die im Gegenzug bei Großaufträgen an die Tochter bürgte. Auf diesem Weg soll Babcock rund 500 Millionen Euro erhalten haben. Als die Werftmanager aufmuckten, setzte Lederer sie ab und sich selbst als Vorstandschef auch der HDW ein.
Seitdem ging es Knall auf Fall. Im Januar 2002 kündigte Lederer an, das Marinegeschäft auszubauen: Babcock werde die HDW ganz übernehmen. Nur zwei Monate später meldete er jedoch überraschend den Verkauf der HDW-Anteile an die US-Investorengruppe One Equity Partner (OEP). Das scheuchte einerseits die Politik auf, weil der Deal die geplante Neuordnung der deutschen Rüstungsindustrie zunichte macht. Andererseits fühlten sich die Babcock-Aktionäre durch den Strategiewechsel – ausgerechnet die Cash Cow wird verkauft – übervorteilt.
Der Anfang vom Ende begann im Mai, als der Vorstand bekannt gab, dass die Neuausrichtung des Konzerns einen Verlust von mindestens 100 Millionen Euro bringen werde. Einen Monat später besaß OEP 75 Prozent der HDW. Lederer legte den Vorstandsvorsitz bei Babcock-Borsig nieder und konzentrierte sich auf den Posten als HDW-Chef.
Fast gleichzeitig wurde bekannt: Der Konzern brauchte sofort Geld – 200 Millionen Euro, nur um die laufenden Geschäfte weiterführen und Löhne zahlen zu können. Konzernleitung und IG Metall handelten schnell und unterschrieben eine Vereinbarung, nach der die rund 22.000 Beschäftigten auf Lohn- und Gehaltszahlungen in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro verzichten wollen. Ein vergebliches Opfer: Dieses Mal spielten die Banken nicht mehr mit.
BEATE WILLMS
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