: Schneller deutsch werden
Der Türkische Bund kritisiert „integrationsfeindliche“ Einbürgerungspraxis unter rot-rotem Senat. Während in Berlin 1999 noch 7.400 Türken eingebürgert wurden, waren es 2001 nur noch 3.400. SPD-Innensenator Körting kündigt Verbesserungen an
von SABINE AM ORDE
Überall in der Republik nehmen seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vor zwei Jahren die Einbürgerungen zu. Nur in Berlin bekommen immer weniger MigrantInnen den deutschen Pass. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) hat gestern den rot-roten Senat aufgefordert, endlich das Einbürgerungsverfahren zu erleichtern. Im Vergleich zu anderen Bundesländern verhielten sich die Berliner Behörden „sehr restriktiv“ und „integrationsfeindlich“. „Die teilweise gegen geltendes Recht ausgeübte Praxis erschwert die Einbürgerung und schürt bei Bewerbern diffuse Ängste“, sagte TBB-Geschäftsführer Kenan Kolat.
Er begrüßte eine von Innensenator Ehrhart Körting angekündigte Anweisung, nach der die zuständigen Stellen Ermessensspielräume des Staatsbürgerschaftsrechts künftig zugunsten der Bewerber auslegen sollen. So sollen Einwanderer, die unverschuldet arbeitslos geworden sind, wieder leichter Deutsche werden können. Allerdings, so Kolat, müsse man abwarten, wie dies tatsächlich umgesetzt werde. Der TBB-Geschäftsführer warf Körting vor, ein ganzes Jahr lang nichts gegen die extrem restriktiven Vorschriften seines CDU-Amtsvorgängers Eckart Werthebach getan zu haben.
Während in Berlin 1999 noch 7.400 Türken eingebürgert wurden, waren es im vergangenen Jahr nur noch 3.400. „Dabei ist das Interesse der Türken ungebrochen“, sagte Kolat. Laut einer repräsentativen Umfrage der Ausländerbeauftragten wollen nur 35 Prozent der Befragten keinen deutschen Pass beantragen.
Ursache des Rückgangs sei nicht nur, dass nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts die Mehrstaatlichkeit grundsätzlich nicht mehr möglich sei, so TBB-Sprecherin Eren Ünsal. Besonders die Prüfung der so genannten wirtschaftlichen Voraussetzungen würden restriktiver gehandhabt als vor der Gesetzesveränderung. „Im Gegensatz zu allen anderen Ländern reicht in Berlin der Anspruch auf Sozialhilfe, um einen Antrag abzuweisen“, sagte Kolat. In anderen Ländern würden nur Bewerber abgewiesen, die tatsächlich staatlich unterstützt werden. Auch müssten MigrantInnen, die Deutsche werden wollen, bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit monatlich mindestens zehn Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen vorweisen. In einzelnen Bezirken wie Neukölln oder Reinickendorf würden bis zu 40 Bewerbungen im Monat gefordert. Solche Anforderungen seien gesetzlich nicht festgelegt – und angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch gar nicht zu erfüllen, so Kolat. In anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein gebe es diese Nachweispflicht nicht.
Ünsal forderte auch eine bessere personelle Ausstattung der zuständigen Ämter. „Es ist unzumutbar, dass die Bearbeitung der Anträge Jahre dauert.“ Die TBB-Sprecherin forderte einbürgerungswillige Migranten auf, bei einer zu langen Verfahrensdauer eine so genannte Untätigkeitsklage gegen die zuständige Behörde einzureichen. Laut TBB liegt die Verfahrensdauer zwischen zwei und vier Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen