: „Das sind keine Superstars“
Der Jurist und Wirtschaftsforscher Michael Adams zur Selbstbedienungsmentalität der Unternehmensvorstände und was hierzulande dagegen getan werden könnte
taz: Bei Babcock geht die Firma Pleite, der Vorstandschef hat für sich längst vorher einen sicheren Posten arrangiert. Und in deutschen Großunternehmen steigen die Vorstandsgehälter dramatisch schneller als der allgemeine Lohndurchschnitt. Nette Verhältnisse?
Michael Adams: Da herrschen inzwischen Strukturen wie in einem orientalischen Palast. Der Vorstandschef kriegt eventuell über seine Aktienoptionspläne 100 Millionen Euro, und schon die Manager eine Etage darunter ruinieren für vergleichsweise bescheidene 100.000 Euro im Jahr ihr Familienleben.
Wer die besten Chefs will, muss sie auch mit hohen Bezügen ködern, lautet das Argument.
Vorstände sind doch keine weltweit umworbenen Superstars wie der Tenor Pavarotti. Es ist empirisch nachgewiesen, dass die hohen Vorstandsgehälter unproduktiv wirken. Oder nehmen sie Daimler: Vorstandschef Jürgen Schrempp hat vor der Übernahme von Chrysler etwa 2,5 Millionen Mark pro Jahr verdient. Er führte einen konkurrenzfähigen Konzern, sonst hätte er ja wohl kaum die US-Amerikaner kaufen können. Seitdem fiel der Aktienkurs, sein Gehalt hingegen stieg um mehr als das Doppelte – und zwar schon ohne das haarsträubende DaimlerChrysler-Aktienoptionsprogramm. Und sein Chrysler-Kollege Bob Eaton erhielt im Zuge der Fusion angeblich 70 Millionen Dollar dafür, dass er aufhörte zu arbeiten.
Damit kann ein Pavarotti nicht rechnen. Diese Riesensummen plündern Unternehmen und damit die Aktionäre aus – und Aktionäre sind bald sehr weite Teile der Bevölkerung, wenn Sie an die Riester-Rente und die teilweise in Aktien angelegten Lebensversicherungen denken.
Aber wenn ein Unternehmen wie Babcock pleite ist – da wird doch stets ein starker Chef gerufen, der aufräumt.
Wenn ein Unternehmen am Rand des Konkurses ist, kann es sogar hoch profitabel werden für den Vorstand. Wenn sich der Aktienkurs erholt und Sie noch Optionen zum niedrigeren Kurs erhalten haben. Da kann es sogar sein, dass der alte ausgeschiedene Vorstand noch gut Geld verdient, indem er seine nun wertvollen Kaufrechte auf die Unternehmensanteile ausübt.
In Deutschland gibt es doch für alles Vorschriften. Warum nicht für Vorstandsgehälter?
Im Prinzip ist das schon geregelt: Laut Aktiengesetz müssen sie in einem angemessenen Verhältnis zur Lage des Unternehmens stehen. Meiner Ansicht nach tun sie das in einigen Fällen hierzulande nicht mehr.
Aber es wurde doch noch nie ein Beschluss eines Aufsichtsrats oder einer Aktionärs-Hauptversammlung von einem Gericht kassiert.
Noch nicht. Es gibt aber Staatsanwälte, die ermitteln, und Anwaltsbüros, die Klagen erwägen. Ein Urteil würde da abschreckend wirken. Denken Sie nur an die Gewerkschafter in den Aufsichtsräten, die den Gehaltserhöhungen bisher immer irgendwie zugestimmt haben.
Bis das durch die Instanzen geht, wird es aber Jahre dauern.
Denkbar wären schnell wirkende und einfache Änderungen des Aktiengesetzes: zum Beispiel die Angabe aller Vergütungsanteile eines Vorstandes samt dem Wert der Optionsprogramme, berechnet nach gängigen Formeln.
In Deutschland herrscht in dieser Beziehung noch Geheimniskrämerei. Neben einer Offenlegung der Bezahlung schlage ich auch eine gesetzliche Obergrenze der Vorstandsgehälter vor. Denkbar wäre das 150fache der jährlichen Kosten eines deutschen Arbeitnehmergehalts. Das wären im Jahr 2001 etwa 4,8 Millionen Euro gewesen – mehr als das Doppelte des Lebenseinkommens eines arrivierten Professors zum Beispiel. Das müsste reichen.
INTERVIEW: REINER METZGER
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