Verlobte werden heiratsfaul

Zustimmung zur Länderehe bröckelt. Politologe befürchtet bei mangelhafter Vorbereitung erneutes Scheitern bei der Volksabstimmung: „Die Fusion muss zur Herzensangelegenheit der Leute werden“

von STEFAN ALBERTI

Deutlich mehr Berliner und Brandenburger als noch vor zwei Jahren lehnen eine Länderfusion ab. Das geht aus einer Studie der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer und Richard Stöss von der Freien Universität hervor. Ohne eine gezielte Vorbereitungskampagne, die die Fusion zur „Herzensangelegenheit der Leute“ macht, könnte nach ihrer Ansicht auch eine zweite Volksabstimmung über die Fusion scheitern. „Ich würde das nicht ausschließen wollen“, sagte Niedermayer gestern. Die Senatskanzlei zeigte sich trotzdem zuversichtlich für eine Fusion.

Der erste Anlauf war im Mai 1996 gescheitert. Damals stimmte zwar in Berlin eine knappe Mehrheit zu. Dem stand aber ein klares Nein in Brandenburg gegenüber, wo zwei von drei Stimmen die Fusion ablehnten. Einen zweiten Versuch soll es in vier Jahren geben: Der Koalitionsvertrag von SPD und PDS sieht die Fusion bis 2009 und das Referendum für 2006 vor. Eine Vorreiterrolle soll die jüngst zwischen Berlin und Potsdam vereinbarte Fusion von SFB und ORB übernehmen.

Grundlage der von der Deutschen Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft finanzierten Studie ist eine Telefonumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter fast 2.000 Berlinern und Brandenburgern zwischen März und Mai. Demnach ist der Anteil der Fusionsgegner gegenüber 2000 in Berlin um ein Fünftel auf 24 Prozent gestiegen, in Brandenburg um fast ein Drittel auf 46 Prozent. Der Unterschied zwischen den westlichen und östlichen Bezirken Berlins ist dabei geschrumpft. Während vor zwei Jahren im Westen 18, im Osten aber 22 Prozent eine Fusion ablehnten, sind es jetzt 23 beziehungsweise 25 Prozent.

Besonders stark brachen die Fusionbefürworter in Berlin bei CDU-Wählern ein: Ihr Anteil sank von 81 auf 68 Prozent. Das ist in etwa das Niveau bei der PDS, deren Wähler sich wie vor zwei Jahren zu 65 Prozent für eine Fusion aussprechen. SPD-Wähler neigen zu 79 Prozent zu einer Fusion (2000: 83 Prozent), FDP-Anhänger unverändert zu 75 Prozent. Im Grünen-Lager hingegen wuchs die Befürwortergruppe von 77 auf 86 Prozent.

Der Berliner CDU-Sprecher Matthias Wambach nannte als mögliche Gründe Verunsicherung durch den Regierungswechsel und die konfliktreiche Debatte zur SFB-ORB-Fusion. Einen Einbruch bei der Union sah er nicht, nur ein Abbröckeln: „Es gibt doch immer noch überwiegende Zustimmung.“ Die CDU werde zur rechten Zeit für eine stärkere Pro-Stimmung sorgen.

Bei den Brandenburger Zahlen fällt auf, dass die Zustimmung jetzt auch in den berlinnahen Gebieten gering ist. Waren im Jahr 2000 noch 40 Prozent für eine schnelle Länderehe, sind es jetzt nur 27 Prozent – weniger als in den bisher schon eher ablehnenden Randgebieten.

In der Senatskanzlei gab man sich trotz der gesunkenen Zustimmung optimistisch. Immerhin gebe es weiterhin eine Mehrheit für die Fusion, sagte Vizesenatssprecher Günter Kolodziej. Eine gut vorbereitete Kampagne soll die Vorteile einer Fusion auch für den Einzelnen deutlich machen, soll Ängste und Befürchtungen abbauen. Die rückläufigen Zahlen erklärte sich Kolodziej mit Sorgen über die wirtschaftliche Lage in beiden Ländern. Gerade da aber könne die Kampagne ansetzen, sagte er.

Der gemeinsame Koordinierungsrat von Berlin und Brandenburg will laut Kolodziej Fragen des Fusionsplans im Oktober besprechen. Der Koalitionsvertrag sieht zudem einen gemeinsamen Ausschuss der Länderparlamente vor, der bis 2004 den Entwurf einer Verfassung erarbeitet. Am 25. September sollen die für die Fusion zuständigen Ausschüsse beider Länder zusammen in Potsdam tagen.