: Der Gegenspieler
Der Schauspieler Rod Steiger ist am Dienstag gestorben. Am erfolgreichsten verkörperte er Machtmenschen und ambivalente Figuren
Gillespie: Well, got your ticket? Here you are. (Gillespie hands him his luggage.)
Virgil: Thank you. (Gillespie offers his hand for a handshake.) Bye-bye.
Gillespie: Bye. (Tibbs climbs the stairs of the train as Gillespie walks away a bit.) Virgil? (Tibbs looks back.) You take care, you hear? (A faint smile crosses both their faces.)
Virgil: Yeah. (Tibbs enters the train car.)
Ein ungleiches Paar nimmt Abschied am Bahnhof von Sparta. Der weiße, wuchtige Sheriff Bill Gillespie (Rod Steiger), ein Sohn des rassistischen Südens, und Virgil Tibbs (Sidney Poitier), ein Abgesandter des Nordens, ein Mann mit der falschen Hautfarbe, von der Mordkommision aus Philadelphia. Gemeinsam haben sie ein Verbrechen aufgeklärt, nachdem Gillespie Tibbs zunächst als Mörder verdächtigt und hinter Gitter gesetzt hatte. In der Kleinstadt Sparta muss ein Fremder, ein Schwarzer zumal, der Täter sein. Doch Gillespie erfährt Läuterung, und am Ende, am Bahnhof, lächeln sich die Gegenspieler an; fast sind sie Freunde geworden.
„In der Hitze der Nacht“, der mit fünf Oscars ausgezeichnete Film von Norman Jewison, konnte im Süden der USA nicht gedreht werden: Sparta, dieser Ort der Hitze, der Verdächtigung und des Vorurteils, musste nach Illinois und Tennessee verlegt werden. Rod Steiger bekam einen Oscar für seine Rolle, Poitier wurde nicht nominiert.
Das war 1967, und es war nicht die erste ambivalente Figur, die Rod Steiger im Laufe seiner langen Karriere verkörperte. Er war der Al Capone im gleichnamigen Film von 1959, der Frauenmörder in Jack Smights „No Way to Treat a Lady“ (1968) und ein Jahr später der über und über Tätowierte in „The Illustrated Man“, erneut unter der Regie Jack Smights. Er gab Machtmenschen wie Napoléon, Rasputin, Pontius Pilatus oder Mussolini. In David Leans „Doktor Schiwago“ (1965) war er Komarovsky, eine lüsterne Figur, die sich die Not der anderen zunutze macht. Und ihnen dabei doch auch hilft: ein grausamer Tauschhandel, in dem Rettung und Ausbeutung dicht beieinander liegen.
Schon sein Durchbruch gelang ihm mit einem windigen Charakter: Er gab Charley, den Bruder des gescheiterten Boxers Terry (Marlon Brando), in Elia Kazans „On the Waterfront“ („Die Faust im Nacken“, 1954). Durch Charley wird Terry in die Machenschaften eines korrupten Gewerkschaftsführers verwickelt und dabei unschuldig mitschuldig an einem Mord. Aus Furcht, Terry könnte aussagen, wird Charley von den Gewerkschaftern auf seinen Bruder angesetzt. Er soll ihn zur Vernunft bringen. Oder zum Schweigen. In dem Paar Brando und Steiger waren die Rollen des Guten und des Bösen säuberlich getrennt und doch verwandschaftlich verschränkt. Und nicht Terry bezahlt mit dem Leben, sondern Charley. Vielleicht war das eine paradigmatische Konstellation: Steiger mochte wuchtig sein, mochte Raum nehmen, und doch war er eine Art ruhender Hintergrund, vor dem der andere sich ausagieren konnte. Eine Nominierung für den Oscar als bester Nebendarsteller erhielt er für seine Leistung in „Die Faust im Nacken“ trotzdem.
Steiger, der an über 100 Filmen, an zahlreichen TV-Produktionen und Bühnenaufführungen mitgewirkt hat, ist 1925 in Westhampton im Bundesstaat New York zur Welt gekommen. Mit 16 ging er für vier Jahre zur Marine, später arbeitete er als kaufmännischer Angestellter, nach einem ersten Engagement in einer kleinen Theatergruppe besuchte er eine Schauspielschule. Im Lee Strasbergs’ New Yorker Actor’s Studio begegnete er Anfang der Fünfzigerjahre Kazan, der ihn für „On the Waterfront“ engagierte. Jung jedoch wirkte er selbst in dieser ersten wichtigen Rolle nicht.
Rod Steiger ist am Dienstag im Alter von 77 Jahren in einem Krankenhaus in Los Angeles gestorben. CRISTINA NORD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen