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Schleier oder freier

Die Rollen der islamischen Prinzessinnen variieren

Nur selten kommt es vor, dass sich eine saudische Prinzessin in der Öffentlichkeit zu Frauenfragen äußert. „Das Problem mit den Amerikanern ist, dass sie einen bestimmten Lebensstil pflegen und glauben, dass mit dir etwas nicht stimmt, wenn du ihn nicht magst“, sagte kürzlich Prinzessin Basma bint Majed bin Abdul-Aziz, eine Nichte des saudischen Königs Fahd. Sie habe nichts dagegen, sich chauffieren zu lassen und wolle gar nicht selbst ein Auto steuern.

Das dürfte sie ohnehin nicht, denn die auf dem Wahhabitentum basierenden, diskriminierenden Frauengesetze des Königreichs Saudi-Arabien gelten auch für die Frauen der Herrscherfamilie. Das bedeutet: Sie haben keinen eigenen Pass, sie dürfen keine Universitätsabschlüsse in Jura oder Ökonomie ablegen und sich nicht ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit bewegen. Etwa 5.000 Prinzen zählt die Monarchie, und mindestens ebenso viele Prinzessinnen, wegen der nicht unüblichen Polygamie wahrscheinlich sogar noch mehr. Die Prinzessinnen, die zur engeren Verwandtschaft des Königs gehören, sind zwar nominell oft in wohltätigen Gesellschaften organisiert. Aber Einfluss haben sie keinen.

So bleibt den Prinzessinnen also nicht viel mehr, als sich mit ihren Apanagen zu vergnügen. Etliche saudische Prinzessinnen leben im Ausland. Dass sie dabei besonders unauffällig seien, kann man allerdings nicht behaupten. Erst vorletzte Woche wurde eine weitere Nichte des Königs, Bunia al-Saud, zu einer Strafe von 1.000 Dollar verurteilt. Sie hatte ihre indonesische Zofe geschlagen. In Ägypten kam es zu einem Verfahren gegen eine saudische Prinzessin, weil sie die Gehälter ihrer Angestellten verprasst hatte.

Prinzessin auf dem Lkw

Ganz anders sieht es im Nachbarland Jordanien aus. Königin Rania, eine examinierte Wirtschaftswissenschaftlerin, nimmt auch ohne Begleitung ihres Mannes König Abdallah öffentliche Termine wahr. Sie unterhält ein eigenes Büro, ist aktive Vorsitzende mehrerer Gesellschaften gegen Kindesmissbrauch und für Umweltschutz. Und wie schon ihre Vorgängerin Königin Noor, die mit dem verstorbenen König Hussein verheiratet war, geht Rania mitunter unverschleiert auf die Straße. Ähnlich aktiv sind auch die übrigen jordanischen Prinzessinnen: Eine der Töchter Husseins ist Springreiterin und war die erste Jordanierin, die einen Lkw-Führerschein erwarb. Eine zweite schlug die militärische Laufbahn ein und organisiert heute den Aufbau einer Frauentruppe innerhalb der Streitkräfte.

In den Straßen der Hauptstadt Amman kann man Poster mit den Konterfeis der Prinzessinnen erwerben, und für viele junge Jordanierinnen sind sie durchaus Vorbilder zur Emanzipation. Die beduinische, traditionelle Bevölkerung war irritiert, als König Hussein im Umgang mit seinen Frauen (die er nacheinander heiratete, nicht zugleich) und Töchtern moderne Maßstäbe setzte.

Die Rolle der Prinzessinnen in den übrigen islamischen Emiraten, Sultanaten oder Monarchien liegt irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen: In Marokko löst sich das traditionell anonyme Herrscherinnenbild auf (siehe Text links). Die kuwaitische Prinzessin Souad al-Sabah ist eine renommierte Dichterin, die auch gegen die Diskriminierung der Frauen Einspruch erhebt. Ihre Verwandte Rasha al-Sabah unterhält am Hof einen literarisch-politischen Salon. In den kleineren Golfstaaten sind die Frauen und Töchter der Herrscher dagegen noch so gut wie unbekannt. YASSIN MUSHARBASH

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