: Hinter der Biografie
Pop-Nostalgie und lebenslanges Reisen: Fotografien von Linda McCartney in Wedel und Ratzeburg
Als Paul McCartney am 12. März 1969 Linda Eastman heiratete, waren die meisten Fans der Beatles empört. Wer war diese Amerikanerin? Der Aufstieg der 1941 in Scarsdale, New York Geborenen in die erste Riege der Pop-Fotografen begann 1966 mit einer Pressefahrt auf dem Hudsonschiff „SS Seapanther“. Dabei gelangen ihr ebenso entspannte wie exklusive Fotos der Rolling Stones. Der beeindruckte Beatles-Manager Brian Epstein, führte 1967 eine Begegnung mit Paul McCartney herbei.
So weit die schon fast legendäre Biografie. Was aber ist, jenseits intimer Blicke hinter die Kulissen, mit dem Fotowerk der Linda McCartney, das jetzt in der bisher größten europäischen Ausstellung in Wedel und Ratzeburg gezeigt wird? Die Zeit war bunt. Aber die meisten Fotos sind schwarz-weiß – und lassen so mehr Platz für eigene Erinnerungen. Anders als frühere Ausstellungen des seit Jahren tourenden Fotowerks der 1998 verstorbenen McCartney, setzt diese mehr auf Einblicke in die guten alten Pop-Zeiten – und bietet im Keller für Nostalgiesüchtige gar das Video des Woodstock-Films.
Für Linda McCartney, die die Sechziger als ,,eine magische Zeit“ bezeichnet, war es immer wichtig, die private Seite der Stars zu zeigen. Sie verwendete nie Blitz, arbeitete immer aus der Hand mit natürlichem Licht. Ihre Fotos sind, rein technisch gesehen, oft geradezu „falsch“ und im Effekt unbeabsichtigt. Sie vermied Manipulationen an ihren Bildern und lehnte Aufträge zur Modefotografie ab. Als Kind war sie von der berühmten „Family of Man“-Ausstellung beeindruckt, später wurden die Fotografen Dorothea Lange und Walker Evans und die großen schwarz-weißen Klassiker Hollywoods und des italienischen Neorealismus die lebenslangen Vorbilder einer Fotografin, deren eigentliche Ausbildung sich auf einen einzigen Abendkurs in Arizona beschränkte.
Die Ausstellung enthält aber keineswegs nur Popnostalgie, sondern auch Proben des mindestens ebenso wichtigen Werkkomplexes Roadworks, ein Bilderbuch aus 30 Jahren einer lebenslangen Reise. Mit geradezu filmischem Blick scheinen Situationen auf, in denen sich die Wege von Fotografierten und Fotografin zufällig treffen. Dass es dabei keine wirkliche Annäherung gibt, verbirgt McCartney keineswegs; diese Bilder sind mehr als Streetlife aus dem Rolls Royce heraus fotografiert, in ihnen scheint mitunter tatsächlich der schon verloren geglaubte Idealismus der großen Fotografenvorbilder Linda McCartneys auf. Und das ist dann doch eine nur noch selten zu beobachtende Haltung. Hajo Schiff
Linda McCartney: There Was a Lot of Hope in The Air – Fotografien 1962-1995, Ernst Barlach Museum Wedel, Mühlenstraße 1, Wedel, Di–So 10–18 Uhr; Ernst Barlach Museum Ratzeburg, Barlachplatz 3, Ratzeburg, Di–So 10–13 + 14–17 Uhr; beides bis 6. Oktober
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