Raus aus dem Turm

Streit auf der Insel Neuwerk: Was soll in den alten Leuchtturm – neue Kunst oder billige Touristen?

“Dat nige Wark“ steht weithin sichtbar an der niedersächsischen Küste zwischen Bremerhaven und Stade. Der denkmalgeschützte Leuchtturm von 1310, einst Schutz vor Seeräubern, ist heute wichtigster Anziehungspunkt und Namensgeber der kleinen Insel Neuwerk. Für den fast 700 Jahre alten Turm sucht die Stadt Hamburg zum 1. Juni 2003 einen neuen Pächter – gegen den Willen der beiden jetzigen Pächterinnen.

Jährlich kommen rund 140.000 Urlauber und Tagesausflügler zu Fuß, mit dem Wattwagen oder per Schiff auf die Insel in der Elbmündung vor Cuxhaven. Eine von 38 Inselbewohnern, die seit 1969 auch Bürger der Hansestadt sind, ist Antje Göttsche. Seit vier Jahren vermietet sie die „Herrenetage“ im Leuchtturm, die bis vor einigen Jahren Hamburger Senatoren zur Übernachtung vorbehalten war. „Damals standen die Zimmer aber meist leer“, erinnert sich die Pächterin. Heute kann jeder für 55 Euro in Hamburgs ältestem nicht-kirchlichem Bauwerk übernachten.

„Wenn ich keinen neuen Pachtvertrag bekomme, werde ich die Insel verlassen müssen“, fürchtet Antje Göttsche. Die 32-Jährige wohnt mit Mann und Sohn im ersten Stock des Turms. „Ich finde es ein bisschen frech von der Stadtverwaltung, dass die uns bei der Neuverpachtung übergehen wollen.“ Auch Pächterin Antonia Reber, die seit 15 Jahren die „Turmschänke“ im Keller des Leuchtturms betreibt, will bleiben.

„Die Verträge mit den Pächterinnen laufen zum 1. Juni 2003 aus, so dass die Neuausschreibung ein regulärer Vorgang ist“, verteidigt Matthias Peters, Mitarbeiter der Hamburger Liegenschaftsverwaltung, seine Behörde. „Wir wünschen uns ein schönes neues Konzept, denn der Neuwerker Turm gibt mehr her“, findet der Beamte. Statt Zimmervermietung sei zum Beispiel eine Kunstgalerie denkbar.

„Uns wäre am liebsten, die beiden Pächterinnen würden bleiben“, stellt Inselwart Claus Fock klar. Der 64 Jahre alte Ur-Neuwerker hat dies auch Matthias Peters mitgeteilt. Der kontert: „Den jetzigen Pächterinnen steht es frei, sich wieder um den Zuschlag zu bewerben. Es muss allerdings eine besser strukturierte Nutzung her.“

Noch-Pächterin Göttsche ist sauer. „Von denen aus der Stadt war doch noch keiner hier. Die haben gar keine Vorstellung davon, was auf Neuwerk machbar ist und was nicht.“ Die Stadt Hamburg habe in den letzten Jahren mehrere Millionen Mark in die Sanierung des Turms investiert, gibt Peters zu bedenken. „Am liebsten wäre uns, den Turm nur einem Pächter anzuvertrauen, um so höhere Einnahmen zu erzielen.“ Aber die Höhe der Pacht sei letztlich nicht ausschlaggebend. „Der Turm ist ohnehin nicht über den Tourismus finanzierbar“, meint Peters.

Seit Beginn der Ausschreibung am 1. Juli sind bei der Hamburger Liegenschaftsverwaltung mehr als 50 Anfragen eingegangen. Darunter Interessenten aus Köln und dem Allgäu. Inselwart Fock sieht das große Interesse an Neuwerk mit Skepsis. „Kennen die unsere Insel überhaupt? Bei vielen sind wohl auch reichlich Illusionen im Spiel.“ Unter den Kandidaten sind auch Antje Göttsche und Antonia Reber, die sich um einen gemeinsamen Pachtvertrag für den Turm bemühen. Ihren Lebensmittelpunkt Neuwerk wollen die beiden nicht einfach aufgeben. Antje Göttsche gibt sich zuversichtlich. „Die Inselbewohner stehen auf jeden Fall hinter uns.“ dpa