Alle woll‘n dasselbe ...

... Baden in der Elbe, das wäre wie Urlaub vor der Haustür. Beim ersten internationalen Elbe-Badetag gingen auch in Hamburg etwa 50 besonders Mutige allen Warnungen zum Trotz vor Wittenbergen in den Fluss. Alle kamen unversehrt wieder raus

von ELKE SPANNER

Einmal, sagt Nico Hohendorf, „überlebt man das schon“. Heute soll dieses eine Mal sein. Es regnet in Strömen, doch das ist egal. Die Schaulustigen suchen noch Schutz unter hohen Bäumen oder drängeln sich zu dritt unter einem Regenschirm, Hohendorf aber läuft in Badehose am Elbufer auf und ab. Er hat die knielange mit den Sonnenblumen angezogen, die sieht nach Sommer aus, und heute ist ihm nach Sommer zumute. Denn heute, am ersten Elbebadetag, will er endlich rein.

Zunächst sind es überwiegend ältere Männer, die sich trauen. Nur vier Frauen sind darunter, als die Schwimmer am gestrigen Nachmittag am Elbstrand in Wittenbergen in Stellung gehen. Großes Hallo, als sie in Badehosen aufgereiht wie Störche knietief im Wasser stehen und sich dann zusammen reinfallen lassen, eins, zwei, drei und los. Applaus von den Zuschauern am Rande. Neid bei den Zuschauern am Rande. Ein Kurzentschlossener springt nackt in die Fluten hinterher.

Alle Warnungen werden in den Wind geschlagen. Nur Erwachsene dürften ins Wasser, hatte die Umweltbehörde gesagt, doch als die ersten Männer und Frauen ohne sichtbare Schäden wieder aus dem Fluss herauskommen, springen auch zahlreiche Kinder herein. Nur bis zu den Knien solle man ins Wasser, hatte es geheißen. Doch wer sich schon nass macht, will auch richtig rein. Zwei Jungs haben sogar einen Wasserball dabei, andere kraulen ein paar Züge hin und her, wenn schon, denn schon. Und Kolibakterien, wird der 61-jährige Roderich Mau später sagen, „hat man sowieso immer im Darm“.

Mau ist zusammen mit seinem Bekannten Wulf Deneke extra aus Volksdorf zum Schwimmen gekommen. Sonst gehen sie ins dortige Freibad oder schwimmen in der Ostsee hin und her, aber was ist das schon gegen den Fluss, der mitten durch die Stadt fließt. Angst haben sie nicht. Es sind mehr Rettungsschwimmer als Schwimmer vor Ort, „so sicher wie heute wird man nie wieder baden können“, sagt Deneke und lacht. Und auch die Bakterien, vor denen die Umweltbehörde noch am Morgen gewarnt hatte, machen ihnen keine Sorgen.

Die Grenzwerte für Salmonellen und Kolibakterien seien in den vergangenen Tagen immer wieder überschritten gewesen, hatte es geheißen. Doch Deneke winkt ab. In der Elbe hätten immer wieder Leute gebadet. Eine Freundin des Rentners, die ursprünglich aus Bielefeld kommt, würde das täglich machen, „das ist für sie Hamburger Lebensqualität“. Sein Bekannter Mau findet den heutigen „Reinlichkeitswahn“ ohnehin absurd, er ist 1940 geboren „und was meinen Sie, was wir damals alles gegessen haben“. Hat er schließlich auch überlebt.

Wer wieder aus dem Wasser kommt, trägt ein Strahlen im Gesicht. Einhellige Meinung: Toll war‘s, warm war‘s und erfrischend noch dazu. Als einzig Negatives kommt die starke Strömung zur Sprache. „Alle treiben nach rechts“, erzählt Hohendorf, „es ist schwer, dagegen anzuschwimmen, schwerer als gedacht.“ Auch Schwimmerin Antje S. findet die Strömung „ziemlich gefährlich“. Für sie war es kein Problem, aber „Kinder“, sagt sie, „würde ich eher nicht in die Elbe lassen“. Das Mitschwimmen ist für sie eine Art politische Demonstration zu Wasser: „Es muss weiter betrieben werden, dass die Elbe wieder richtig sauber wird“, sagt die 41-Jährige. „Das wäre dann wie Urlaub vor der Haustür, und das ist doch toll.“