Historisches Treffen in Sarajevo

Erstmals seit dem Friedensvertrag von Dayton sitzen die drei Staatschefs von Kroatien, Bosnien und Jugoslawien wieder an einem Tisch, um ein Abkommen zu unterzeichnen. Damit wollen sie ihre Beziehungen verbessern und die Flüchtlingsfrage lösen

von ANDREJ IVANJI

In Sarajevo merkte man merkte gestern sofort, dass dort etwas Außergewöhnliches geschah. Die Sicherheitsmaßnahmen waren gewaltig, an jeder Ecke stand ein Polizist, die internationale Friedenstruppe SFOR kontrollierte die Zufahrten in die bosnische Hauptstadt. Immerhin trafen sich zum ersten Mal nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton 1995 die Präsidenten Bosniens, Kroatiens und der Bundesrepublik Jugoslawien: Beriz Belkić, Vorsitzender des Präsidiums von Bosnien und Herzegowina, Stipe Mesić und Vojislav Koštunica.

Die Staatschefs unterzeichneten eine Erklärung über die weitere „Harmonisierung der gemeinsamen Beziehungen“ und setzten sich für die Rückkehr der Flüchtlinge ein. Weiter stellten sie fest, dass die Zeiten der Auseinandersetzungen endgültig vorüber seien, Integrationsprozesse bevorstünden und alle möglichen Missverständnisse friedlich, durch politischen Dialog nach europäischem Standard gelöst werden sollen.

„Diese Konferenz wird nichts Revolutionäres bringen, doch sie soll die schon begonnen Prozesse der regionalen Zusammenarbeit anspornen“, erklärte Belkić. Ein Abkommen über den freien Handel sei schon unterzeichnet worden, nun wollte man die verschiedenen Vorschriften in den drei Staaten harmonisieren und einen wirtschaftlichen Raum nach dem Muster der EU anstreben. Allerdings sei die Politik immer noch von den Kriegsereignissen belastet und deshalb wäre es „wünschenswert“, wenn der jugoslawische Präsident Koštunica „wenigstens sein Bedauern wegen der Kriegsereignisse“ in Bosnien äußern würde, erklärte Belkić gegenüber der bosnischen Zeitung Nezavisne novine.

Der Nationalist und Traditionalist Koštunica vermied es bisher, sich offiziell für die im Namen der Serben in Bosnien begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu entschuldigen. Der serbisch-montenegrinische Bundespräsident verheimlichte nie, dass er Sympathien für den vom Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen steckbrieflich gesuchten ehemaligen Führer der bosnischen Serben Radovan Karadžić hegte.

Sollte sich Koštunica für die Verbrechen entschuldigen, würde das die Beziehungen zwischen Bosnien und Serbien nicht automatisch normalisieren, bemerkte Kroatiens Staatschef Stipe Mesić. Vielmehr müssten sich die Beziehungen erst verbessern und in diesem Kontext werde dann eine Entschuldigung selbstverständlich. Mesić hat den „Kniefall“ schon gemacht.

Das könnte noch dauern. So war während der Konferenz das Zentrum Sarajevos voll von großen Plakaten, die ein im Kosovo aufgenommenes Schwarzweißfoto von Koštunica mit einem Lächeln, hochgekrempelten Ärmeln und einer Schnellfeuerwaffe in den Händen zeigten. Darunter stand: „15. Juli – Terrorismus für Bosnien“. Außerdem erinnerten die Plakate an den Massenmord in Srebrenica. Trotz allem wird erwartet, dass die Konferenz – wenn auch nur symbolisch – zu besseren Beziehungen in der Region beitragen wird.

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