piwik no script img

Quickie-Forschung

Das neue HRG hat die befürchteten Effekte: Professionelle Forscher geraten durch die 12-Jahres-Regel in Existenznot

BERLIN taz ■ Die Juniorprofessur ist die eine, glänzende Seite der Medaille. Die andere, dunkle Seite des neuen Hochschulrahmengesetzes (HRG) ist die zeitliche Befristung von Wissenschaftlerkarrieren auf zwölf Jahre. Des einen Freud ist des andern Leid: „Zur Finanzierung der Juniorprofessuren lösen die Universitäten immer mehr befristete Stellen auf“, sagt Thomas Mergel, Sprecher der Initiative „wissenschaftlichernachwuchs.de“.

Auf diesen Stellen sitzen zwei Sorten von Akademikern: einerseits Habilitierte in Wartestellung auf eine unbefristete Professur; andererseits langjährige Wissenschaftler mit hoher Qualifikation, die oft nicht Prof werden, sondern nur professionell forschen wollen. Die neue „12-Jahres-Regel“ des Mitte Februar in Kraft getretenen Gesetzes macht besonders diesen Forschern zu schaffen – laut Rahmengesetz gibt es sie nämlich nicht mehr. Manche Befürchtung scheint nun Wirklichkeit zu werden. Die Zahl der Wissenschaftler, die keine Stelle mehr bekommen, nimmt zu. Denn sie waren bereits mehr als zwölf Jahre im Job – als studentische Hilfskräfte, während der Promotion und auf Habilitationsstellen. Viele Universitätleitungen fürchteten nun, dass sich die Leute auf Dauerstellen einklagen würden, sagt Mergel, „wenn denen eine weitere befristete Stelle gegeben wird“.

Ein Beispiel: Der Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln, Michael Kerschgens, will einen Privatdozenten als Leiter in einem befristeten Projekt über die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf den Eisschild Grönlands einstellen. „Der Mann ist sehr gut, bekommt aber mangels Stellen zurzeit keine Professur“, sagt Kerschgens. Die Leitung der Uni sträubt sich, weil der Betreffende schon mehr als zwölf Jahre auf befristeten Stellen sitze. Kerschgens findet es grotesk, dass das betreffende Projekt vom selben Bundesministerium für Bildung finanziert wird, das mit der Novelle des Hochschulgesetzes nun die Anstellung des Projektleiters verhindert. „Schließlich ist es besser, eine befristete Stelle zu haben, als arbeitslos zu sein“, findet nicht nur Kerschgens.

Auch die Hälfte der wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut für Geophysik und Meteorologie, an dem Kerschgens arbeitet, ist von der Neuregelung betroffen: „Bei fünf unserer zehn Mitarbeiter in Drittmittelprojekten können wir keinen neuen Vertrag mehr abschließen.“

Die Einführung der 12-Jahres-Regel im neuen Gesetz führt Nachwuchs-Vertreter Mergel auf gewerkschaftliche Einflussnahme zurück: „Die Universität soll deren Meinung nach zu einem Ort des normalen Arbeitsverhältnisses werden.“ Obwohl in Frist-Projekten mit besseren Ergebnissen geforscht werde als in unbefristeten, betont Mergel.

Als einzigen Ausweg aus der jetzigen Situation sieht Kerschgens einen eigenen Tarifvertrag für die Wissenschaft: „Darin muss stehen, dass die Leute nur solange beschäftigt werden müssen, wie die Projektgelder zur Verfügung stehen.“ Ob einem solchen Vertrag die Gewerkschaften zustimmen würden? Kerschgens ist skeptisch. PHM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen