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Wahlkampf mit Export von morgen

Wirtschaftsminister Müller gibt sich bei seinem letzten Jahresbericht vor der Wahl optimistisch und verspricht zwei Millionen neue Arbeitsplätze bis 2006. Voraussetzung: Ein kräftiges Wachstum. Müllers Beitrag: eine neue „Außenwirtschaftsoffensive“

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

„Wir müssen uns sehr einfache Fragen stellen.“ Also fragte Wirtschaftsminister Werner Müller gestern: „Woher kommt das Wachstum?“ Ja, woher bloß. Das ist wirklich eine gute Frage. In diesem Jahr wird die deutsche Wirtschaft nicht einmal um 1 Prozent wachsen.

So eine Flaute kostet Arbeitsplätze. Denn nur wenn die Wirtschaft mindestens um 2 Prozent zulegt, werden neue Leute eingestellt. Daher lautet das offizielle Ziel der Politik: 2,5 bis 3 Prozent Wachstum müssen her – und, vor allem, sie sind möglich!

Diesen regierungsamtlichen Optimismus verbreitete auch Müller, als er seinen jährlichen Wirtschaftsbericht vorstellte: Zwei Millionen neue Arbeitsplätze versprach er in der nächsten Legislaturperiode bis 2006 – „wenn die Prämisse Wachstum stimmt“. Müllers Idee: Er will den deutschen Export ankurbeln, der auch jetzt schon 37 Prozent des Bruttosozialproduktes ausmacht, und eine „Außenwirtschaftsoffensive“ starten. Ganz „neue Zielregionen“ hat man ausgemacht; nach Asien und Lateinamerika sollen nun auch der „Nahe und Mittlere Osten sowie Nordafrika“ zum Markt für deutsche Produkte werden. Verfügen doch nicht alle, aber „viele Länder“ über „gesicherte Öleinnahmen“. Das sind Petrodollars, die es künftig nach Deutschland zu lenken gilt: indem man dort „petrochemische Anlagen“, aber auch „alternative Industriestrukturen“ sowie Wasserleitungen, Straßen „etc.“ anbietet.

So groß die Pläne klingen, so bescheiden sind die konkreten Maßnahmen, die Müller vorstellte: Die EU verhandelt bereits über Freihandelsabkommen mit den Golfstaaten; zudem sind weitere Auslandshandelskammern in Algerien, Libyen und Pakistan geplant. Und in der Bundesagentur für Außenwirtschaft sollen einige zusätzliche Korrespondentenstellen für den „Mena-Raum“ (Middle East North Africa) entstehen.

Und was ist mit dem steigenden Euro? Erschwert er nicht deutsche Exporte? Müller gab sich optimistisch: Es würden nur 15 Prozent der Rechnungen in Dollar ausgestellt.

Obwohl der Wirtschaftsminister gestern durchaus engagiert für die Exportförderung warb – er konnte nicht verhehlen, dass er für eine Notlösung agitierte. Was bei Wirtschaftspolitikern lange beliebt war, ist für ihn inzwischen obsolet: Der Binnenmarkt lasse sich nicht mehr stimulieren. Schließlich „altern die Konsumenten zügig“ und „haben schon eine Waschmaschine“.

Fast verzweifelt referierte Müller die Zahlen: Von 1998 bis 2002 sei das reale Durchschnittseinkommen um 7 Prozent gestiegen – dank der Steuerreform, einer niedrigen Inflationsrate und zum Teil hoher Tarifabschlüsse. Doch anders als früher bedeutete mehr Geld nicht mehr Nachfrage: „Der Konsum schleppt!“

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat daher seine Konjunkturprognose für 2003 korrigiert. Es geht nur noch von 2 Prozent Wachstum aus. Bekanntlich zu wenig, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Müller dazu schlicht: „Ich teile diese Prognose nicht.“

Auch für sich selbst ist der Minister optimistisch: Klar ist für ihn, dass Rot-Grün die Wahl gewinnt – und dass er anschließend auch wieder die Konjunkturabteilung vom Finanzministerium zurückbekommt. „Dann wird alles so geregelt sein, wie mir das Spaß macht.“

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