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Sommers Abschied

Nach stundenlangem Gezerre beendet der Telekom-Chef alle Spekulationen: Ron Sommer tritt von seinem Amt zurück

BONN taz ■ Nein, auf Ron Sommer wolle er nichts kommen lassen. „Dieser Mann hat es nicht verdient, abgesetzt zu werden“, sagt der ältere Mann im krachledernen Outfit, der seit dem Morgen vor der Telekom-Zentrale in Bonn steht. Das sei eine „Spiegelauer Tracht“, klärt der gebürtige Bayer auf. Die trage man in seiner Heimat nur zu „besonderen Anlässen“. Und dies ist heute für Josef Vogelsang so ein besonderer Anlass. Während im futuristisch anmutenden Gebäude der Aufsichtsrat zunächst ab 10 Uhr in informellen Gesprächen über die Zukunft von Ron Sommer berät, demonstrieren vor den Konzerntüren er und etwa 250 Mitarbeiter für den Verbleib des Telekom-Chefs. „Sommer Hoch statt Schröder Tief“, „Wir sind kein Politzirkus“, Wir sind das Unternehmen – nicht Schröder, Stoiber & Co“ und „Ohne Sommer sieht’s trüb aus“, steht auf ihren Transparenten.

Um 15 Uhr beginnt der offizielle Teil der Aufsichtsratssitzung. Doch zu Gesicht bekommt bis zum frühen Abend keiner den erlauchten Kreis, dem sowohl Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt als auch der neue DGB-Vorsitzende Michael Sommer angehören. Die Aufsichtsräte, 18 Männer und 2 Frauen, werden je zur Hälfte von der Kapitaleignerseite und von der Arbeitnehmerseite gestellt. Bei den Kapitaleignern sitzen der Großaktionär Bund und die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, die zusammen 43 Prozent der Aktien halten. Für einen Rauswurf Sommers wäre im ersten Durchgang eine Zweidrittelmehrheit des Kontrollgremiums notwendig, in einer zweiten Runde dann eine einfache Mehrheit. Nach Aktienrecht ist der Aufsichtsrat in der Pflicht, für eine Abberufung Sommers einen „wichtigen Grund“ zu präsentieren.

Gerüchte kursieren: Bleibt Sommer doch? Immerhin stünde der gesamte Vorstand hinter ihm und er kämpfe wie ein Löwe um seinen Posten. Gegen den als Sommer-Nachfolger ins Gespräch gebrachten Gerd Tenzer, bisher im Vorstand für Technik und Netze zuständig, gebe es hingegen zu große Widerstände, heißt es. Das SPD-Mitglied galt als Kompromisskandidat. Denn gegen eine Besetzung von außen waren bereits im Vorfeld die Arbeitnehmervertreter Sturm gelaufen, da sie offenbar einen harten Sanierer fürchteten. Muss statt Sommer nun Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus gehen?

Alles Gerüchte. Kurz vor 18 Uhr sind die Spekulationen vorbei. Während Tenzer in den Aufsichtsrat geht, kommt Ron Sommer aus der noch nicht beendeten Sitzung heraus, um ein Statement abzugeben. Mit schnellen Schritten eilt er zu den seit dem Morgen ausharrenden Journalisten. Seine Miene ist unbewegt. Wer allerdings genauer in Sommers Gesicht sehen kann, weiß: Hier kommt kein strahlender Sieger, er hat den Kampf verloren. „Wenn ein Vorstandsvorsitzender nicht über das volle Vertrauen des Aufsichtsrats verfügt, ist der Rücktritt der einzige Schritt, mit dem man noch ein verantwortungsvolles Handeln unter Beweis stellen kann“, hebt der 52-Jährige sichtlich angespannt an. Er habe sich „der Realität zu stellen, dass der Aufsichtsrat des Konzerns nicht mehr uneingeschränkt zu mir und der von mir verantworteten Strategie für das Unternehmen steht.“

Das seien Bedingungen, „unter denen eine kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen mir und dem Aufsichtsrat nicht mehr möglich ist“. Deswegen habe er das Kontrollgremium gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Damit wolle er „auch einen Beitrag leisten, um weiteren Schaden vom Unternehmen abzuwenden“. Denn das Ansehen der Telekom habe durch „schädliche öffentliche Diskussion“ mit allen ihren Spekulationen, Gerüchten und Dementis insbesondere vorige Woche bereits erheblich gelitten. Nun wolle er mit seinem Rücktritt „zumindest den Teil der Debatte beenden, der mit meiner Person verbunden ist“. Trotz der Turbulenzen der vergangenen Tage werde er auf seine Jahre bei der Telekom „mit einem Gefühl der subjektiven Befriedigung zurückblicken“.

Er hoffe sehr, so schließt er seine kurze Ansprache, „dass sich dies mit einigem Abstand dann auch objektiv bestätigt“. Fragen beantwortet er nicht mehr. Mit schnellem Schritt und unter dem Applaus am Rande stehender Mitarbeiter verlässt Sommer die Szenerie. Die Pressestelle verteilt noch sein Redemanuskript. Es dokumentiert, dass Sommer die Schlacht bereits vor Stunden aufgegeben haben muss: Das Papier ist auf 15.30 Uhr datiert – eine halbe Stunde nach Beginn der Aufsichtsratssitzung.

PASCAL BEUCKER

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