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Die Ungeküssten

Wer auf US-amerikanischem Boden nicht spurt, muss zurück ins All. Darauf achten Tommy Lee Jones und Will Smith im Sequel „Men in Black II“

von HARALD FRICKE

Komplexe Verschwörungen erfordern im Kino eine nachhaltige Aufarbeitung. Seit 1947 in Roswell, New Mexico, ein Ufo gelandet ist, dürften ungefähr eine halbe Million Alien-Filme gedreht worden sein. Manchmal ist die Bedrohung völlig unrealistisch, so wie in Roger Cormans Amphetamin-wirrem Film „It Conquered The World“ (1956), der einen wandelnden Teppich auf Eroberungstour durch Kalifornien zeigte; manchmal sind mit dem Alien jedoch auch sozialpolitische Bezüge gemeint, wenn etwa in John Sayles’ 1984 gedrehtem „Brother From Another Planet“ die reale Entfremdung von Afroamerikanern in ein SciFi-Szenario übertragen wird. Vor allem aber gilt: Bis auf „E. T“ sind Aliens immer feindlich. Sie trotzdem auf Erden als das Andere zu ertragen ist eine entsprechend große humanistische Leistung – ein Opfer des Weltbürgertums für die intergalaktische Gemeinschaft.

„Men in Black“ (MIB) macht da keine Ausnahme. Als Comedy hatte sich der erste Teil, mit dem Regisseur Barry Sonnenfeld 1997 kometenhafte 600 Millionen Dollar einspielen konnte, zwar kaum um die korrekte Beziehung zwischen Erdlingen und Fremdkörpern zu scheren. Schließlich ging es darum, dass die Spezialagenten Kay (Tommy Lee Jones) und Jay (Will Smith) irgendwelchen Schleim mit mächtigen Waffen ausradierten.

Für die Fortsetzung hätte man vielleicht doch etwas mehr darüber nachdenken können, was es bedeutet, wenn ein Film ständig zu verstehen gibt: Wer hier, das heißt auf amerikanischem Boden, nicht spurt, fliegt raus, zurück ins All. Dass es derzeit im Umgang mit Attacken from inner space doch einige Empfindlichkeiten gibt, war den Machern zumindest klar. Die ursprüngliche Schlusssequenz, in der sich für „Men in Black II“ die Türme des World Trade Centers als Raumschiffstartbahn öffnen sollten, wurde daher behutsam verändert.

Stattdessen schwebt jetzt eine junge Frau namens Laura Vasquez (Rosario Dawson) in einer pillenartigen Kapsel davon, während ihr der verliebte Smith hinterherseufzt. Denn bei aller Cartoon-kompatiblen Ballerei ist „Men in Black II“ auch eine, nein, gleich zwei Liebesgeschichten, natürlich zwischen Menschen. Erst entwickelt Jay zarte Gefühle für Laura, die Zeugin eines Alien-Überfalls war; später sehnt er sich nach seinem früheren Partner Kay zurück, der den Job bei der MIB-Behörde aufgegeben hat, um in Massachusetts Pakete zu packen. Ihr Wiedersehen ist eine sehr rührende Szene, in der Biz Markie abstrakten Außerirdischen-HipHop rappen darf.

Leider wird Kay mit seiner Rückkehr in die Alien-Polizei fortan zum Zentrum des Geschehens. Er allein kennt das Schließfach, in dem eine Miniaturgalaxie versteckt ist, mit der die Welt vor der Zerstörung gerettet werden kann; er allein weiß, welche Waffen man im Kampf gegen die Eindringlinge vom Planeten Kylothian braucht; und schließlich ist er es, der herausfindet, dass Laura nicht auf die Erde gehört, sondern in ein fernes Sonnensystem.

So ist das mit Helden – Pech gehabt, Will Smith. Während er kurz zuvor noch in einem protzigen Mercedes E 500 lässige Streetsoul-Sprüche ablassen durfte, wird er mit dem Auftritt von Jones zurück in die zweite Reihe beordert. Vermutlich hat sich Smith die stereotype Besetzung als schwarzer Sideshowman gut bezahlen lassen, laut Vertrag ist er an den Einnahmen des Films prozentual beteiligt.

Andererseits spielt es ohnehin keine Rolle, wer nun wen kommandiert, wenn es um das Überleben der Menschheit geht. „Men in Black II“ beschränkt sich über weite Strecken auf pantomimisches Minimal-Acting, den Rest besorgt der Animationszauber von Industrial Light & Magic. So sieht man Lara Flynn Boyle als außerirdisches Biest Serleena meist in Standaufnahmen nur spröde herumblinzeln, während um ihren Leib Specialeffect-Tentakeln schwirren. Noch sind die Stars von Hollywood mit ihrer Schauspielkunst der Computertechnik jedenfalls weit unterlegen, in glücklichen Momenten erinnert der virtuell gemixte Mummenschanz eher an die übertriebene Gestikulation der Stummfilmära. Was ihnen bleibt, ist ein bisschen Romantik und etwas Liebelei, die in gemischten Konstellationen – ob mit zweiköpfigen Nerds oder coolen Wurmtypen – bestimmt noch viele interessante Varianten hervorgebracht hätte. Aber leider gilt auch hier: Aliens küsst man nicht.

„Men in Black II“. Regie: Barry Sonnenfeld. Mit Will Smith, Tommy Lee Jones, Lara Flynn Boyle u. a. USA 2002, 88 Minuten

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