: Vorteil Industrie und Bauern
Bei der neuen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ziehen die Verbraucherschützer den Kürzeren. Dahinter stecken die EU-Regierungen
BRÜSSEL taz ■ Sie sollte eine Wunderwaffe gegen giftiges Futter und BSE-Steaks werden: die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (ELB). Und diesmal wollte es Brüssel allen recht machen. Bauern, Nahrungsmittelindustrie und Verbraucherschützer sollten über einen paritätisch besetzten Verwaltungsrat mitreden können. Doch der Rat der Landwirtschaftsminister, der am Montag die Besetzung beschloss, hat die Verbraucherverbände enttäuscht: Unter den 14 Mitgliedern ist nur eine Verbraucherschützerin, während Bauernverbände und Industrie zwei bzw. drei Vertreter entsenden. Sechs Sitze gingen an regierungsabhängige Funktionäre, nur zwei an unabhängige Experten.
„Das ist eine Weichenstellung“, befürchtet der europäische Verbraucherverband BEUC. Schuld seien vor allem die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten: Die Vorauswahl der EU-Kommission mit 30 Kandidaten war relativ ausgewogen, davon suchte das Parlament 17 Vertreter heraus, beide Listen an die EU-Regierungen – und die tauschten einige der Parlamentsvorschläge einfach wieder aus. So strichen sie zwei der drei Verbraucherschützer und setzten dafür einen Industrievertreter und eine Ministerialdirektorin ein.
Wer an der Spitze des neuen Verwaltungsrats steht, ist noch offen. Für das Amt des geschäftsführenden Direktors stellt die Kommission derzeit eine Vorschlagsliste zusammen, die dann ebenfalls durch Parlament und Rat muss.
Die EU-Kommission hofft, dass die ELB noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen kann. Sie soll Kommission, Rat und Europaparlament, auf Wunsch auch Mitgliedsländer zu Lebensmittelsicherheit beraten. Ihre Gutachten sollen als Grundlage für Verbraucherpolitik und Rechtsvorschriften, aber auch für das Krisenmanagement bei Skandalen dienen. Anfang September soll der Verwaltungsrat erstmals zusammentreten.
Den aktuellen Hormonskandal hätte die ELB allerdings nicht verhindern können. Wenn ein Betrieb wie die belgische Firma Bioland keine Zulassung für die Futtermittelherstellung hat, wüsste sie gar nicht, dass es ihn gibt. Die Kontrolle einzelner Hersteller sollen auch in Zukunft nationale Behörden übernehmen.
Die acht Fachausschüsse, die die EU-Kommission 1997 als Reaktion auf die BSE-Krise einsetzte, gehen in der ELB auf. Bis zu 250 Mitarbeiter sind vorgesehen. Wo ihr endgültiger Arbeitsplatz sein wird, ist noch unklar. Die Städte Lille, Parma und Helsinki streiten sich um die Behörde. Für die ersten drei Jahre soll sie deshalb in Brüssel bleiben. BARBARA SCHÄDER
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