Massenandrang in Angolas Demobilisierungslagern

Den Krieg haben Angolas Rebellen verloren – den Frieden wollen sie gewinnen. Diese Woche endete die Entwaffnung von 84.000 Unita-Kämpfern

BERLIN taz ■ Angolas Friedensprozess nimmt seine erste Hürde: Ab jetzt gibt es offiziell keine bewaffneten Rebellen mehr. Gemäß des Waffenstillstandsabkommens vom 4. April zwischen der Rebellenbewegung Unita (Nationale Union für die Totale Unabhängigkeit Angolas) und Angolas Regierung, das einen der verheerendsten Bürgerkriege der Welt beendete, wird die Guerilla ab morgen wieder ins zivile Leben eingegliedert.

Zwischen April und Ende letzter Woche hatten sich nach Angaben der gemeinsamen Militärkommission beider Seiten 84.160 Unita-Soldaten mit über 257.000 Familienangehörigen in 36 Demobilisierungszentren in ganz Angola eingefunden. In einem symbolischen Akt werden im Laufe dieser Woche 5.000 davon in die Armee eingegliedert, darunter 30 Generäle. Die anderen 79.160 erhalten bis Anfang 2003 eine zivile Ausbildung.

So steht es jedenfalls im Waffenstillstandsabkommen, das allerdings von etwa 50.000 bis 55.000 Unita-Kämpfern ausging. Schon damals mutmaßten UN-Vertreter, die Rebellenorganisation habe in Wirklichkeit nicht mehr als 10.000 Mann unter Waffen. Schließlich war die Unita, die noch Mitte der 90er-Jahre drei Viertel Angolas beherrschte, in einem jahrelangen Zermürbungskrieg niedergekämpft worden. Der Tod ihres Führers Jonas Savimbi auf dem Schlachtfeld im Februar besiegelte das Ende der einst mächtigsten Guerillaorganisation Afrikas. Hätte sie wirklich noch über 84.000 aktive Kämpfer verfügt, wäre der Krieg wohl nicht so plötzlich vorbei gewesen.

Dass die meisten der 340.000 Menschen in den Demobilisierungslagern keine Rebellen sind, legt auch der Umstand nahe, dass nur eine Minderheit unter ihnen Gewehre abgegeben hat. Der Zustrom in die Lager erklärt sich daraus, dass sie in der Logik des Friedensprozesses gegenüber dem Rest der Bevölkerung privilegiert sind. Zwar gibt es auch hier zu wenig zu essen, und die medizinische Versorgung ist katastrophal – nach Schätzungen von Hilfswerken sind 5.000 der demobilisierten angeblichen Rebellen während ihres Lageraufenthalts schon gestorben. Aber immerhin sind die Lager Zentren für eine hypothetische Hilfsaktion, sollte einmal genug Hilfe ins Land kommen, um die vier Millionen Kriegsvertriebenen – ein Drittel der Bevölkerung – angemessen zu versorgen.

Bisher hat das UN-Welternährungsprogramm WFP nur Zugang zu etwa 156.000 Lagerinsassen gehabt. Zugleich werfen private Hilfswerke wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) der UNO vor, die Versorgung ziviler Kriegsflüchtlinge und Bedürftiger zu vernachlässigen. 335.000 Menschen in seiner Obhut habe das WFP ohne jede Hilfe gelassen, um sich auf die Demobilisierung zu konzentrieren, behauptete MSF vor einem Monat. Die UNO wies dies erst empört zurück und klagte dann diesen Monat, eine halbe Million Menschen in Angola sei unmittelbar vom Hungertod bedroht.

Auch zivilgesellschaftliche angolanische Gruppen beklagen eine paradoxe Folge des Kriegsendes: Die Militärs stärken sich auf Kosten der Zivilbevölkerung. Während noch letztes Jahr viele Beobachter auf eine politische Öffnung Richtung Zivilgesellschaft setzten, um die Blockade zwischen Regierung und Rebellen zu überwinden, scheinen jetzt alle damit zufrieden zu sein, dass die Regierungspartei MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung) und die Unita, nunmehr Brüder im Friedensprozess, alles unter sich ausmachen.

So malten führende Vertreter von MPLA und Unita im Juni bei einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin einträchtig ein leuchtendes Bild einer Demokratie mit der Unita in der Rolle einer starken parlamentarischen Opposition. MPLA-Fraktionschef Bornito de Sousa sagte, als zivile Opposition werde die Unita „die Gesellschaft regulieren und stabilisieren“. Termine für freie Wahlen nannte er allerdings auch auf Nachfrage nicht. Stattdessen beschwor er kommende Wachstumsraten von zehn bis fünfzehn Prozent.

Abel Chivukuvuku, führender ziviler Führer der Bewegung, kündigte seinerseits an, die diversen Flügel der Unita – die besiegte Guerilla, die parlamentarische Gruppe sowie die regierungsfreundliche Abspaltung „Unita-Renovada“ – würden noch dieses Jahr einen Kongress zur Wiedervereinigung der Unita abhalten. Er setzt darauf, dass die Unita im Frieden stärker ist als im Krieg und „nicht später als 2004“ Wahlen gewinnen könnte.

DOMINIC JOHNSON