Strippenzieher wird Minister

Für die Verteidigung ist nun Peter Struck zuständig. Die von ihm bisher geleitete SPD-Fraktion bezeichnete der Bundeskanzler einst als „Kartell der Mittelmäßigkeit“

BERLIN taz ■ In der Rolle des Scharping-Nachfolgers kennt sich Peter Struck aus: Als Rudolf Scharping 1998 Verteidigungsminister wurde, durfte Struck den vakanten Posten als SPD-Fraktionsvorsitzender übernehmen. Bis dahin hatte er acht Jahre lang als parlamentarischer Geschäftsführer gedient.

Und auch eine andere Scharping-Rolle kennt Struck schon: wie es sich so anfühlt, wenn der Kanzler ungnädig wird. Geflügelt ist ein Schröder-Wort aus dem Jahre 1995: Struck organisiere ein „Kartell der Mittelmäßigkeit“. Der parlamentarische Geschäftsführer reagierte damals maßvoll: „Ach, wissen Sie, ich glaube, der Gerhard Schröder wird, wenn seine Aufgeregtheit verschwunden ist, diese Worte noch bereuen.“

Die Reue ließ allerdings auf sich warten. Stattdessen sah es im August 1999 so aus, als würde der neue Fraktionschef sein Amt bald wieder verlieren. Denn Struck hatte das Sommerloch genutzt, um kundzutun, dass er das dreistufige Steuermodell der FDP überzeugend fände. In der SPD war man empört.

Dieser Alleingang überraschte nicht nur inhaltlich, sondern auch taktisch. Schließlich beschwerte sich ausgerechnet Struck immer wieder, dass seine Fraktionsgenossen keine Disziplin kannten und mit ihren Einzelmeinungen an die Öffentlichkeit preschten. Das Kanzleramt spottete über die SPD-Chaos-Truppe im Bundestag: „Struck und seine Strolche“.

Allerdings hatte Schröder wohl nichts anderes erwartet. Schließlich hatte er ja einen scheinbar einflusslosen Fraktionsvorsitzenden gewollt – damit mitten im Duell mit Lafontaine nicht noch ein weiteres Machtzentrum in der SPD entstehen konnte.

Inzwischen hat sich jedoch auch bei den Sozialdemokraten eine Einsicht durchgesetzt, die Altkanzler Kohl schon lange hatte: Er nannte Struck einen „Oberstrippenzieher“. In den letzten Jahren wurde es in der SPD-Fraktion deutlich ruhiger. Ein letztes Mal bäumte sich die Linke 2001 auf, als die Kanzlermehrheit fehlte, um den Bundeswehreinsatz in Mazedonien zu beschließen. Er kam nur zustande, weil auch die Union dafür stimmte.

Eine Scharping-Rolle allerdings ist Struck unbekannt: Der neue Verteidigungsminister neigt nicht dazu, sein Privatleben zur Schau zu stellen. Bilder aus dem Swimmingpool sind nicht zu erwarten. Was man weiß: Er wurde 1943 in Göttingen als Sohn eines Autoschlossers geboren, ist Jurist und verheiratet, hat drei Kinder – und raucht Pfeife. ULRIKE HERRMANN