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Curaçao-Blues: Kokain im Bauch

Amtsgericht verurteilt zwei Drogenkurierinnen und ihren Anstifter / Alle Drei hatten große Geldsorgen

„Das war die größte Dummheit, die ich je in meinem Leben gemacht habe.“ Mit diesen Worten beendete gestern die 22-jährige Angeklagte Eilyn G. ihr Geständnis vor dem Bremer Amtsgericht.

Zusammen mit ihrer Freundin und Kollegin aus einem Call Center, Viola S., hatte die Telefonistin Mitte März versucht, in ihrem Körper 338 Gramm Kokain von der Antillen-Insel Curaçao nach Deutschland zu schmuggeln. Viola S. trug rund 390 Gramm der Droge in sich, als sie verhaftet wurde. Der geschätzte Marktwert liegt zusammen bei etwa 37.200 Euro. Dafür verurteilte das Schöffengericht Eilyn G. zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung. Ihre 31-jährige Freundin erhielt eine zweijährige Haftstrafe, ebenfalls zur Bewährung, obwohl Viola S. mehrere Vorstrafen hat, eine davon, weil sie vor drei Jahren Hasch verkauft hatte.

Den dritten Angeklagten, den 38-jährigen aus Nigeria stammenden Familienvater Frank Azike A., verurteilte das Schöffengericht zu zwei Jahren und zehn Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können. Er sei „die treibende Kraft“ bei der Tat gewesen: Frank A. stellte den Kontakt zu dem Händler „Oscar“ auf Curaçao her, besorgte die Flugtickets und gab den beiden Frauen genaue Verhaltensmaßregeln, damit sie nicht auffallen sollten. Bei der Strafzumessung machte das Gericht Frank A. für die Gesamtkokainmenge verantwortlich, die beiden Frauen nur für ihren geschmuggelten Anteil, so dass seine Strafe höher ausfiel.

Und das war geschehen: Viola S. und Eilyn G. steckten beide im März 2002 finanziell in der Klemme, konnten ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Viola S., Mutter eines achtjährigen Sohnes stand eine Räumungsklage bevor, der Strom wurde ebenfalls abgestellt. Da schien die Möglichkeit, einen einwöchigen Karibik-Urlaub und rund 5.000 Euro für einen angeblich einfachen Job zu bekommen, offenbar verlockend. „Wir waren beide in einer Notsituation, das war eine Kurzschlussreaktion“, erklärte Viola S. vor Gericht. Die Tatausführung war dann nicht mehr verlockend: Die beiden Frauen mussten auf Curaçao 45 und 38 Kokain-Beutel schlucken. „Nach zehn Beuteln war mein Hals ganz wund“, beschreibt Eilyn G. die Situation.

Frank A. hatte in seiner Aussage anggegeben, er habe den Kontakt nur widerstrebend hergestellt, nachdem Viola S. ihm erzählt habe, sie brauche Geld. Sein Landsmann Oscar hätte ihn aufgefordert, Personen zu nennen, die bereit wären, die Drogen-Reise zu unternehmen. Dafür versprach er Frank A. eine Provision von etwa 1.300 Euro. Frank A. hatte Bankschulden über circa 2.050 Euro. Bei einem Netto-Einkommen von 900 Euro, einer nicht-verdienenden Lebensgefährtin und zwei kleinen Kindern, die beide im Krankenhaus liegen, sah also auch Frank A.s finanzielle und familiäre Situation prekär aus.

Das Gericht hielt ihm vor, aus Eigennutz gehandelt zu haben, den Frauen dagegen nicht. Strafmildernd fiel für sie ins Gewicht, dass sie seit ihrer Verhaftung mit ihrem Geständnis geholfen haben, Frank A. zu verhaften. Der ist im Gegensatz zu Viola S. nicht vorbestraft. Frank A.s Verteidiger Wesemann hielt sich offen, in Berufung zu gehen. ube

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