: Singende Klorollen
Im Bremer Rundfunkmuseum können Kinder „Jubelelektronik“ bestaunen: Volksempfänger, Tefifone, Tonbandgeräte, Radios von dunnemals. Höhepunkt ist aber das Detektor-bauen
Eine leere Klorolle und viele bunte Drähte. „Das soll also ein Radio werden?“ Der kleine Lukas ist skeptisch. Mal sehen, wie der Onkel vom Museum das alles erklären will. Lukas ist sieben und auf Tour im Bremer Rundfunkmuseum. Hier gibt es Altes und Skurriles, Schönes und Schweres aus 80 Jahren Radiogeschichte – und am Ende der Führung darf er sich sogar selbst einen Empfänger basteln.
Auf den Regalen in den zwei niedrigen Fabrikräumen stapeln sich über 750 Ausstellungsstücke: Trichtergrammophone und dicke Radios, Volksempfänger aus den dreißiger und Tonbandgeräte aus den siebziger Jahren, Plattenspieler und Jukeboxen, Fernsehtruhen und Diktiergeräte, Röhren, Messgeräte, Kopfhörer, Lautsprecher. Lukas staunt Bauklötze. Wie auch Janine.
Das blonde Mädchen will alles wissen.Zum Beispiel: „Woher habt ihr die denn alle?“ – die Radios natürlich. André Imlau, ehrenamtlicher Kinder-Führer, erklärt, dass das Geschenke seien von Menschen, die in alte Radios vernarrt waren. Oder von solchen, die heute lieber digitale Musik hören und mit Omas Grammophon nichts mehr anfangen können.
Zur letzten Kategorie gehört Janine definitiv nicht. Enthusiastisch kurbelt sie an einem Grammophon mit riesigem silbernen Trichter und wiegt sich dann zum knisternden Schlagertakt. Nicht umsonst nennt Bernhard David, der Verantwortliche für den Museumsbetrieb, seine Sammlung liebevoll „Jubelelektronik“.
Von den Grammophonen aus geht die Zeitreise der drei weiter zu den Radios. André Imlau fühlt sich in den überfüllten Fabrikräumen zu Hause. Bereits mit zwölf wurde er Mitglied im Verein „Bremer Rundfunkmuseum“. Jetzt ist er Anfang zwanzig und lotst Janine und Lukas kreuz und quer durch die Ausstellung, von den allerersten Radios aus den frühen zwanziger Jahren, den sogenannten Detektoren, hin zu den Volksempfängern.
Von dort zum Wohnzimmeridyll aus der Adenauer-Ära mit den „Wohnmöbeln“ Radio und Fernseher, vorbei an längst vergessenen Geräten wie dem „Tefifon“, das von einem Dauerlaufband die Hörer der fünfziger und frühen sechziger Jahre bedudelte. Und hin zu monströsen ausrangierten Schneidemaschinen von Radio Bremen. Genug gesehen. Jetzt will Lukas wissen, was das mit der Klorolle und den Drähten auf sich hat – und wie er zu seinem Radio kommt. In einer kleinen Werkstatt mit einer ganzen Batterie von Lötkolben auf dem Tisch dürfen er und Janine dann ihr eigenes kleines Rundfunkgerät zusammenbauen.
Das Prinzip des „Detektors“: Eine mit Spulendraht umwickelte Klorolle und ein Kondensator bilden die Basis, den Parallelschwingkreis. Dieser Schwingkreis ist auf 936 Kilohertz, die Mittelwellenfrequenz von Radio Bremen 1, eingestellt – er nimmt also nur die Schwingungen dieses einen Senders auf. Mithilfe einer kleinen Diode werden die – für das menschliche Ohr viel zu hohen – Schwingungen abgeschnitten.
Was übrig bleibt, sind die für den Menschen hörbaren Laute von Radio Bremen. Aber so genau wollen Janine und Lukas das eigentlich gar nicht wissen. Sie stecken und drehen und verlöten Drähte und freuen sich. Als Lukas feststellt, „ich bin ein guter Handwerker“, geht‘s zur Hörprobe. Und tatsächlich: die Klorolle kann singen, aus dem Mini-Kopfhörer kommt Musik, Wham spielt für die beiden frischgebackenen Radiobesitzer ein Lied. Und alles vollökologisch, ohne Batterien. Inzwischen hat Lukas schon eine Menge gelernt: „Der ist nämlich über Funk, der Strom.“ Dorothea Siegle
Im Rahmen des Ferienprogramms für Kinder findet morgen, Dienstag, um 15 Uhr, noch eine Führung mit anschließendem Detektorenbau im Bremer Rundfunkmuseum statt. Preis: 4 Euro. Anmeldungungen unter Tel.: 0421 / 35 74 06 oder beim Kreissportbund unter 0421 / 794 87 26.
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