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US-Fernsehware mit Frischhaltefolie

„The West Wing“ und „Six Feet Under“ führen die Liste der diesjährigen „Emmy“-Nominierungen an – deutsche Sender scharren schon mit den Hufen

Es stellt sich die Frage, ob das zu ertragen wäre: Allwöchentlich 45 Minuten über die aktuellen Begebenheiten im Bundeskanzleramt, über schwerwiegende politische Krisen, aber mehr noch über die Verrichtungen und kleinen Verfehlungen randständiger Mitarbeiter und natürlich die unverzichtbaren Amouren unter dem Personal, eine Art „Upstairs Downstairs“ auf höchstem politischem Parkett.

In den USA, wo die brillantesten Fernseherzähler zu Hause sind, klappt das: Die TV-Serie „The West Wing“ spielt im Weißen Haus und enthält nicht nur alle Ingredienzen einer Seifenoper mit Qualität, sie gewährt dem Wahlvolk zugleich wertvolle Einblicke, wie der politische Apparat Washingtons abseits der öffentlichen Inszenierungen funktioniert.

Martin Sheen in der Rolle des US-Präsidenten hat es nicht schwer, Sympathien zu sammeln: Seine Drehbücher geraten durchweg besser als die seines Amtskollegen George W. Bush. Das fanden auch die Mitglieder der Academy of Television Arts and Sciences, die alljährlich den mit dem „Oscar“ vergleichbaren US-amerikanischen Fernsehpreis „Emmy“ vergibt und in dieser Woche ihre Nominierungen bekannt gab. Allein 21 davon konnte die Politserie „The West Wing“ verbuchen, wurde aber noch übertrumpft von der erstmals ins Rennen gehenden, 23 Mal nominierten dramatischen Serie „Six Feet Under“, die im vergangenen Monat im Rahmen des Kölner Fernsehfestivals Cologne Conference auch deutschem Publikum vorgestellt wurde und bereits erste Fans gefunden hat.

Am Rande der Veranstaltung wurde laut, das ZDF werde die hochklassige Serie um die Fährnisse eines als Familienbetrieb geführten Beerdigungsinstitutes möglicherweise ins Programm nehmen, doch nach Angaben des Senders ist ein Ankauf nicht vorgesehen. Kesse Kalauer wie „We put the fun back in funeral“ sind halt nicht jedermanns Sache.

Das beim ZDF beheimatete, etwas stiefmütterlich behandelte Qualitätsprodukt „Die Sopranos“, sonst stets unter den Anwärtern, ist in diesem Jahr nicht im „Emmy“-Wettbewerb, weil im Wertungszeitraum keine neuen Folgen ausgestrahlt wurden. Mehrfach nominiert wurde dagegen die exzellente Serie „24“, deren deutsche Rechte bei der RTL-Gruppe liegen.

Bereits in der Ausstrahlung befinden sich die für preiswürdig befundenen Serien „CSI: Crime Scene Investigation“ (Vox, mittwochs, 20.15 Uhr) und, in der Kategorie Sitcom, die Titel „Sex and the City“ (Pro7, dienstags, 22.20 Uhr), „Friends“ (Pro7, werktags, 18.00 Uhr) und die sehr gelungene Serie „Will & Grace“ (Pro7, samstags, 14.45 Uhr).

Obwohl die dort produzierten „Sopranos“ einmal aussetzen müssen, ist der Abokanal HBO der große Gewinner der Nominierungsrunde: Er verbuchte 93 von insgesamt 433 Nennungen, unter anderem für den von Steven Spielberg und Tom Hanks produzierten Mehrteiler „Band of Brothers“, der in direkter Konkurrenz steht zum von RTL für Herbst angekündigten Großechsen-Epos „Dinotopia“. Ob die Kölner mit dieser aufwändigen Premiumproduktion einen „Emmy“-Gewinner erworben haben, erfahren sie am 22. September, wenn die vom US-Fernsehen live übertragene Preisvergabe stattfindet. HARALD KELLER

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