: sommerkrimi
Folge 4
„Hör sofort auf! Hör auf, sage ich! Du machst ihn ja ganz kaputt, hör jetzt sofort auf!“, brüllte George und trommelte verzweifelt auf Lennies breitem Rücken herum. Ohne Erfolg. Da griff er neben sich nach einem Blecheimer und schlug ihn Lennie mit voller Wucht über den Kopf.
„Au! Aber, aber ... der wollte dir doch weh tun?“ stammelte Lennie und befühlte verwundert die aufkeimende Beule auf seinem wuchtigen Schädel.
„Quatsch nicht so blöd wie‘n Kleinkind, Mann. Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst nicht immer gleich alles plattmachen, mit deinen riesigen Baggerschaufeln! Der sagt ja keinen Papp mehr! Laß uns bloß von hier verschwinden, bevor noch jemand kommt!“
George erleichterte den leblosen Mann um seine Brieftasche und zerrte den verwirrt dreinblickenden Lennie hinter sich her.
*
Hamburg, 9.9.2001, 23.00 Uhr
„She was too good to me, how can I gather on now ...“ Pieter Lund saß am Steuer seines nagelneuen Chrysler PT Cruisers gegenüber der Freihafen-Zollkontrolle. Er hatte sein Handy in Bereitschaft und Chet Baker in den Player geworfen. Der Bereitschaftspolizist neben ihm hielt ein kleines Nickerchen. Über dem Hafen stand ein runder, bleicher Mond inmitten eines ungewöhnlich klaren Sternenhimmels. Papermoon over the city, twinkeling stars above. So ein blitzblank geputzter Himmel passte vielleicht in ein Broadway-Musical, aber nicht in diese Stadt. Eher schon zum südfranzösischen Atlantik. Mit seiner Frau Chiara und seinem Sohn Jakob hatte er dort früher so manchen Sommerurlaub verbracht. Oft hatte jeder von ihnen in solchen Nächten eine Sternschnuppe ausgeguckt und sich etwas gewünscht. Aber diese Dinge helfen nicht jedem.
„She would have brought me the sun, making me smile, that was her fun.“
Chet Baker singt den alten Rodgers/Hart-Standard mit sensibler, leicht brüchiger Stimme. Unverwechselbar, sein Stil. Lund schwamm ohne ernsthaften Widerstand in Chets Melancholie. Nahezu 20 Jahre war er jetzt im Dienst der Hamburger Polizei. Ein Bullenleben. Chiara und er lebten nicht mehr zusammen. Schon lange nicht mehr. „She was too good, to be true.“
„Pieter, alles Paletti bei dir?“ schnarrte es aus dem Handy. Lund schickte Chet in den vorläufigen Ruhestand.
„Alles ruhig, Gunnar, und bei euch?“
„Noch geht nichts ab, wird aber nicht mehr lange dauern.“
Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen