piwik no script img

Ungeklärte Leukämie

Elbmarsch: Strahlenbiologisches Gutachten für Landesregierung erklärt alles und nichts. Die geht davon aus, dass AKW Krümmel Verursacher sein kann, aber nicht ist

Und noch ein Gutachten, dass alles und zugleich nichts erklärt. Die Ursachen für die Häufung von Leukämie-Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in der Elbmarsch hat auch ein umfangreiches strahlenbiologisches Gutachten nicht klären können, das die rot-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein in Auftrag gegeben hatte.

Bei der Vorstellung der Expertise räumte Wilfried Voigt, grüner Staatssekretär im Energieministerium, gestern ein, dass diese Frage „nicht in letzter Konsequenz geklärt werden“ konnte. Vermutlich sei „ein komplexes Ursachenbündel“ verantwortlich für die Blutkrebs-Erkrankungen in der Nähe des Atomkraftwerkes Krümmel.

Die Landesregierung ziehe aus der Untersuchung, so Voigt, zwei Folgerungen. Sie „geht künftig davon aus“, dass die Krankheitsfälle in der Elbmarsch „grundsätzlich durch Strahlung verursacht werden“ könnten. Zugleich gebe es „keine Hinweise“, dass die Leukämiefälle auf den Betrieb des AKWs Krümmel zurückzuführen seien. Konkrete Maßnahmen wusste Voigt denn auch nicht zu benennen.

Das Gutachten war 1997 bei dem renommierten Kieler Strahlenbiologen Professor Frederik Stevenson in Auftrag gegeben worden. Unter seiner Federführung untersuchten 25 ExpertInnen in Einzelgutachten eine Reihe von Fragestellungen. Das wesentliche Ergebnis, das die Landesregierung sich zu eigen macht, lautet, dass die „beobachteten Kinderleukämiehäufungen in der Elbmarsch“ durch radioaktive Strahlungen verursacht worden sein können, wie sie der Atommeiler bei Geesthacht und auch das benachbarte Atomforschungszentrum GKSS abgeben. Allerdings wären dafür so hohe Dosen erforderlich, wie sie nie gemessen worden seien. Zugleich wird ausgeschlossen, dass eine Emission „derartiger Strahlendosen der Überwachung hätte entgehen können“. Beide atomaren Einrichtungen kämen demnach im Grundsatz als Verursacher in Betracht, tatsächliche Indizien aber gebe es nicht.

Somit ist weiterhin ungeklärt, warum in der Elbmarsch bislang neun Kinder und Jugendliche an Blutkrebs erkrankten – statistisch gesehen, neun Mal so viele wie im bundesweiten Durchschnitt. Das Gutachten ist nachzulesen unter www.landesregierung.schleswig-holstein.de oder anzufordern unter Tel. (0431) 988-4290. SVEN-MICHAEL VEIT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen