Berliner Republik braucht publike Affären

Die Branche, die Abgeordnete und Unternehmer zum Lunch einlädt, will mit dem „Beziehungsmakler“ Hunzinger nichts zu tun haben. „Public Affairs“ verkaufen „Themen“ und „Kommunikation“, nicht Kontakte zu Staatsmännern

„Deutsche Politiker kommen selten aus der Wirtschaft. Darum sind sie so tölpelig.“

BERLIN taz ■ Keine Mark sei je an einen Politiker gegangen, und auch kein Euro. „Niemand in der Branche bezahlt Politiker dafür, dass sie auf Veranstaltungen auftreten“, behauptet Karl-Heinz Heuser.

Heuser, Chef der deutschen Niederlassung von Weber Shandwick, ist ein ganz alter Hase in der Branche, die mit „PR“, also Public Relations, nur unzureichend beschrieben ist. Der Geschäftszweig, der dazu dient, Politiker und Unternehmer beim Lunch, beim Dinner, im Salon oder beim „Parlamentarischen Abend“ einander näher zu bringen, heißt Public Affairs.

„Dass Moritz Hunzinger großzügig mit Geld Politiker unterstützt, ist ja nicht neu und seit langem bekannt“, sagt Heuser. Über Hunzingers Geschäftspraktiken habe die gesamte Branche seit je die Nase gerümpft.

Nicht nur die Wirtschaft – am Wochenende unter anderem der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski – will nun mit Hunzinger oder auch „den Hunzingers“ nichts mehr zu tun haben. Die professionellen Politikkommunikatoren selbst sind auch schwer damit beschäftigt, sich von Hunzinger abzugrenzen. Alle kennen ihn persönlich, aber keiner will je gern mit ihm am Tisch gesessen haben. Rupert Ahrens von der Agentur Ahrens und Behrendt, Vorsitzender des PR-Unternehmensverbandes GPRA, betont, dass Hunzinger „nie in den Verband aufgenommen worden wäre“. Hunzinger arbeite schlicht unprofessionell und schädige das gesamte Geschäft, indem er „Politiker in einen Konflikt mit ihrer öffentlichen Rolle bringt“.

Dass freilich Hunzinger nicht der Einzige ist, der meint, mit einem guten Draht zu dem einen Staatssekretär oder dem anderen Abgeordneten sei der Wunsch eines Unternehmers quasi schon erfüllt, gibt auch Ahrens zu. Doch welchen Agenturchef man auch fragt: Die Auskunft ist unisono, „professionell“ sei es, „themenbezogene Kommunikationsstrategien“ zu entwickeln und sich nicht bloß auf persönlichen Kontakten zu (vermeintlich) einflussreichen Politikern auszuruhen.

Ziel oder vielmehr Produkt der Public Affairs sei „Transparenz“, nicht Mauschelei. „Als Hunzinger Mitte der Achtzigerjahre anfing, wusste der noch gar nicht, was Public Affairs bedeutet“, sagt Michael Schröder von der Agentur Hill and Knowlton. Hunziger habe von vornherein „Beziehungen verkauft, keine Kommunikation“.

Als Hunzinger begann, seine viel zitierte Adressenkartei aufzubauen, wusste allerdings niemand in Deutschland, was Public Affairs sein könnte. Das Gewerbe boomt erst seit zwei oder drei Jahren, in denen die meisten großen Agenturen in Berlin ihre Büros aufgemacht haben. In der Bonner Republik war das anders: Dort hatten ehemalige Minister oder frühpensionierte Staatssekretäre ihre Büros und nannten sich auch selbst „Lobbyisten“. Sie waren Teil eines im Vergleich zu Berlin gemütlichen Sozialgefüges, das seine festgefügten Fronten zwischen Verbänden und Parteien, aber auch seine vertrauten Kommunikationswege hatte.

Warum der Bedarf nach Public Affairs nach dem Hauptstadtumzug so rapide angestiegen ist, dafür kennt die Branche unterschiedliche Antworten. Hans Bellstedt von Plato Kommunikation nennt das Klima in Berlin „dialogfreudiger“ – die Bonner Welt sei „eher klüngelhaft“ gewesen. „Das führte bis hin zur Erstarrung“, sagt Bellstedt und schildert ein Beispiel: So habe der Minister Norbert Blüm gegen den Widerstand aller großen Wirtschaftsverbände die Pflegeversicherung auf Solidarbasis eingeführt. So etwas sei in Berlin nicht mehr möglich.

Schröder vermutet, dass durch Globalisierung und Ausrichtung auf die EU die Lobbyarbeit auf der gesamtdeutschen Bühne wichtiger geworden sei. Vorher habe es den meisten Konzernen gereicht, auf ihre Landesregierung Einfluss auszuüben.

Und noch einen Faktor nennt Schröder: Im Unterschied zur angloamerikanischen Welt, in der Public Affairs längst etabliert seien, „kommen deutsche Politiker selten aus der Wirtschaft. Deshalb sind sie – wie Scharping oder Özdemir – oft so unglaublich naiv und geradezu tölpelig.“

Und hier greift Public Affairs unterstützend ein: Es gilt, ein vertrauenswürdiges Umfeld zu schaffen, in dem Politiker Informationen aus erster Hand über die große, raue Welt der globalisierten Wirtschaft bekommen.

ULRIKE WINKELMANN