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Spionieren statt helfen

KIDS-Sozialarbeiter protestieren gegen Geheim-Papier der Innenbehörde. Sie sollen zur Evaluierung Daten sammeln und weitergeben. Die Jugendbehörde dementiert die Existenz des Papiers

Mit einer Kundgebung vor dem KIDS am Hauptbahnhof protestierten gestern rund 50 Sozialarbeiter erneut gegen die geplanten geschlossenen Heime. Anlass war ein neues Papier der Innenbehörde, das der Jugendbehörde offenbar Vorgaben macht und die akzeptierende Sozialarbeit des KIDS radikal in Frage stellt. „Wir Mitarbeiter werten dieses Konzept als massiven Angriff auf unsere Arbeit“, heißt es in einer Stellungnahme des KIDS, die Mitarbeiterin Jaqueline Gebhardt verlas. Jugendlichen, denen es nicht gelänge, innerhalb kürzester Zeit aus der Drogen- und Prostituiertenszene auszusteigen, bliebe bald „nur noch die Alternative Haft oder Heim“.

Das KIDS (Kinder in der Szene) existiert seit 1993 und dient jährlich rund 360 Straßenkindern als Anlaufpunkt. Sie können sich dort waschen, eine warme Mahlzeit bekommen, trockene Kleidung und einen geschützten Schlafplatz erhalten. Wichtigste Grundsätze, so heißt es in der Stellungnahme, seien immer das Prinzip der Freiwilligkeit und Anonymität gewesen, weil man nur so die Jugendlichen erreichen und eine Veränderung ihrer Lebenssituation erwirken könne. Doch ein neues „ordnungspolitisches Handlungskonzept“ aus dem Hause von Innensenator Schill, von dem die KIDS-Mitarbeiter erfahren haben, will dies offenbar beenden. So soll die „aufsuchende, niedrigschwellige“ Sozialarbeit entfallen und durch „Ansprechen und Warnen“ der Jugendlichen ersetzt werden. Auch sollen Sozialarbeiter die Daten der Jugendlichen feststellen und an behördliche Stellen weitergeben. „Das Prinzip der Anonymität ist ein Grund, warum die Jugendlichen überhaupt zu uns kommen“, warnt Jaqueline Gebhardt. Die Sozialarbeiter fürchten, dass sie Teil eines Systems werden sollen, dass nur noch Prävention und Repression kennt.

„Grundsätzlich gibt es ein solches Papier nicht“, dementierte dagegen Sozialbehördensprecherin Anika Wichert. Allerdings befände sich das kürzlich vorstellte Heim-Konzept gerade in der Behördenabstimmung. Es könnte also sein, dass sich das KIDS auf ein Papier bezieht, in dem die Innenbehörde zum KIDSStellung bezieht. „Interne Arbeitsvorgänge“, so Wichert, zu denen sie derzeit nichts sagen könne. KAIJA KUTTER

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