piwik no script img

Auftritt im Panic Room

Laser und Lichtorgel auf volle Kanne: SPD-Generalsekretär Franz Müntefering in der Hemelinger Hardrock-Dizze Aladin

Einst glaubten die Menschen Münte, dem Spin Doctor mit der Superfrisur

Die Sozialdemokratie hatte alles gegeben. Seit Wochen war die ganze Stadt mit dem kultigen Slogan „Red-Summer-Night – powered by www.new-party.de“ zuplakatiert. Auch die Spielstätte – praktisch Kult: Das „Aladin“, die Hardrock-Dizze in Hemelingen, in der schon Tina Turner, Ozzy Osbourne und Ulrich „Urdrü“ Reineking auftraten. Und dann der Stargast, wohl die vorletzte Lichtgestalt am SPD-Parteihimmel: Münte.

General, Parteisoldat und Kanzlermacher aus dem Sauerland. Einst schwebte Franz Müntefering wie weiland Dr. Spock in unsere Wohnzimmer und verkündete die Heilsbotschaft der SPD. Die Menschen glaubten Münte, dem Ex-Kampa-Chef und Spin Doctor mit der Superfrisur. Das war 1998. Heute hat der Generalsekretär nicht nur die Haare gestutzt wie Rudi seinen Bart, es ist auch alles etwas schwerer geworden für die „Party“.

Zugegeben, es war nicht gerade Abtanz-Wetter. Aber trotz Staraufgebot und Plakatoffensive hatten sich am Dienstag- abend kaum 150 „Kids“ im Club verloren, um Münte und „DJ Peer“ zu lauschen. Da wurde das „Aladin“ zum Panic Room. Der Andrang so spärlich, dass am Eingang keiner mehr Wert auf die fünf Mark (nicht Euro) Eintritt legt. Der Zustrom so schwach, dass kurz vor Müntes Auftritt noch schnell ein Jugendwahlkämpfer die Jusos vor der Bühne zusammenwedelt, damit Münte genug Claqueure hat.

Dann Laser und Lichtorgel auf volle Kanne, willkommen im Guidomobil der SPD. Ein Typ mit echt viel „Street Credibility“ rappt das SPD-Lied, Münte singt mehr oder minder mit, um dann den „Jugendpreis 2002 der SPD-Landesorganisation Bremen“ an das Gröpelinger Schulzentrum an der Pestalozzistraße zu vergeben. „Man muss keine Trantüte sein, wenn man sich einsetzt“, sagt er zu den Prämierten, die sich ein Projekt gegen Fremdenhass ausgedacht haben. Und: „Wir wollen in Deutschland ein liberales Land sein – das wollen wir auch nach dem 22. September.“ Ein Bass setzt ein, Münte wippt, um nach wenigen Minuten Auftritt in der VIP-Lounge des „Aladin“ zu verschwinden.

Hier zeigt sich der wahre Münte: die Antwortmaschine, der Abbügler. Wie an einer Wand lässt er die Fragen des Journalisten-Pulks abtropfen, die natürlich fast alle in die gleiche Richtung gehen: Die neue Oberfläche in der Politik und, dass so ein alter Mann wie er (Jahrgang 1940) nicht in einen Club gehöre.

„Ich war seit Jahrhunderten nicht mehr in der Disco“, erklärt Münte cool, zigarriloziehend. Und, mit Roll-R und Seitenhieb auf Edmund Stoibers peinsamen Besuch im Berliner Club 90 Grad: „Ich gehe nicht in eine Edeldisco, um in die Disco zu gehen, ich verleihe hier einen Preis.“ Nur bei der Frage, wieviel Prozent denn die Bremer SPD für den Gerd holen müsse, wird der gelernte Industriekaufmann doch ein wenig brüsk: Antwort nur nach Abstimmung. Münte: „Es ist Wahlkampf.“

Jetzt bitte bloß nicht noch mehr Stress, jetzt bloß nicht wieder was Falsches tun oder sagen – das geht auch den anderen SPD-Granden des Abends so. Apropos: „Herr Kröning, wer fliegt eigentlich mit Ihren Bonus-Meilen?“

Ooooohps! Zum Glück ist der Bremer Bundestagsabgeordnete erst seit kurzer Zeit bei Miles & More dabei (siehe Seite 21), dafür plaudert Volker Kröning beängstigend ungeschminkt über das „New Party“-Jugendprojekt der Sozen. Alles trage „schon Früchte“, es gebe eine „schöne Zahl von Helferinnen und Helfern“. Man könne „‘New Party‘ als Jugendprojekt bezeichnen, ohne den Mund zu voll zu nehmen“. Kröning erlebe da „einen ganz natürlichen Brückenschlag zwischen den Generationen“. Das „assoziative Zusammenkommen“ bringe „sehr viel“. Ja und die konkreten Mitglieder- und Mitmach-Zahlen? No comment.

Dafür sagt er wenigstens was zur Wahl. In Bremen werde es die SPD am 22. 9. „über 45 Prozent bringen.“ Kröning, vorsichtig: „In meinem Wahlkreis werde ich das Erststimmenergebnis vom letzten Mal einstellen. Tipp: 51 Prozent“. Kai Schöneberg

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen