Schulbeginn farbenfroh

In der Neustädter Delmestraße steht Bremens bunteste Schule. Max Edison Katshuna und Edeltraut Rath haben sie zusammen angemalt. Ein deutsch-namibisches Gemeinschaftsprojekt, dasa auch Bremens Wandbild-Tradition neuen Auftrieb gibt

Agenda 21 farbenfroh: Von Schmutziggrau zu leuchtendem Orange„Was glaubt Ihr denn, wie oft ich als Kind zum Holzsammeln geschickt wurde!“

Die SchülerInnen des Neustädter Schulzentrums haben‘s gut: Zwar müssen sie wie alle Bremer Kids ab heute wieder Schulbänke drücken. Aber das wenigstens in einem Ambiente, das Urlaubsgefühle weckt: Ihre Schule, eigentlich ein oller 60-er Jahre-Bau, strahlt jetzt in leuchtendem Gelb, Orange und Blau. Dazwischen tummeln sich exotische Figuren.

So ist das, wenn man ein „mural global“-Projekt nennt. Ein solches wird nämlich von einem Künstlerduo aus der Nord- und Südhemisphäre bemalt. Im Fall der Neustadt: von Edeltraut Rath aus Bremen und Max Edison Katshuna aus Windhoek in Namibia. In den letzten Tagen haben die beiden ihr Werk nochmal gründlich gereinigt – der Bremer Regen hatte jede Menge Dreck vom Gerüst auf die Wände spritzen lassen. Jetzt aber steht in der Delmestraße die vermutlich bunteste Schule Bremens.

Deren vorherige Farbe definiert Schulleiter Wolfgang Kuhlmann als „schmutziggrau“. Kuhlmann ist heilfroh, dass Sanierung und Außengestaltung – nach jahrelangem Vorlauf – endlich über die Bühne sind. Und Bremen hat ein neues Wandbild – schon das dritte in jüngster Zeit, nach Jub Mönsters Verkehrsbild in der Regensburger Straße in Findorff und Jürgen Schmiededampfs gemalter Straßenbahn in Woltmershausen. Fast schon ist man versucht, von einer Renaissance dieser Gattung zu sprechen, deren Hochburg Bremen in den 70-er Jahren war. Rose Pfister, in Bremen verantwortlich für Kunst im öffentlichen Raum: „Seit Mitte der 80-er Jahre hatten wir eine Entwicklung weg vom Wandbild, zugunsten von versteckteren Interventionen.“ Auch das Neustädter Werk unterscheidet sich deutlich von den früher typischen politisch-realistischen Bildern. Rose Pfister: „Ich finde es sehr passend, dass Edeltraut Rath mit geometrischen Ornamenten und Mustern arbeitet. Dadurch kann sich ihre Kunst sehr gut mit der anderer Kulturen verbinden.“

Kultur soll die vierte Säule der „Agenda 21“ sein, und auf den 700 Quadratmetern Fassade des Neustädter Schulzentrums ist sie das tatsächlich auch geworden. Inklusive der dazugehörigen Erkenntnisprozesse. Edeltraut Rath: „Ich wurde heftigmit meinen Vorurteilen konfrontiert. Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass mein Kompagnon so straight durcharbeiten wird.“ Tat er aber. Weswegen Katshuna nicht nur die fünf ihm zugewiesenen Flächen locker füllte, sondern seiner Kollegin auch beim Fertigstellen ihrer eigenen Muster unter die Arme griff.

Auf Katshunas Abschnitten tummelt sich die Tierwelt: Krokodil-Nashorn-Giraffe-Zebra. Beute wird am Stock heimgeschleppt, Mais gestampft und Feuer entfacht. Wieder so ein Vorurteil: So stellen wir uns halt Afrika vor. Offenbar aber zu Recht. Die Frage, ob diese traditionellen Stereotypen denn der Realität entsprächen, macht Katshuna fast ein wenig ärgerlich: „Was glaubt Ihr denn, wie oft ich als Kind zum Holzsammeln geschickt wurde! Die Leute hier sollen ruhig sehen, wie unser Alltag aussieht.“

Natürlich gibt es auch die andere Seite: Katshuna arbeitet als Graphikdesigner mit den worldwide-üblichen Anwenderprogrammen. Die Neustädter Afrika-Szenen freilich hat er den Linolschnitten seines berühmten Landsmannes John Muafangejo nachempfunden –sie mit übertriebenen Formen wie lustig herausspringende Hinterteile aber gesprengt.

Möglich war das Neustädter Gemeinschaftswerk durch zahlreiche Unterstützer: Das biz (Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung) kümmerte sich um das Rahmenprogramm, das Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit bezahlte Katshunas Aufenthalt und die Stiftung „Wohnliche Stadt“ finanzierte im Rahmen des Programms „Kunst im öffentlichen Raum“.

Hintergrund sind die zahlreichen Bremer Verknüpfungen mit Namibia – die fast schon allgegenwärtig sind. So steht am Eingang der namibischen Nationalgalerie Gerhard Marcks „Herrerofrau“ und am Schwachhauser Backsteinelefanten hat sich schon manche Kolonialvergangenheitsdiskussion entzündet. Viele Bremer haben persönliche Beziehungen nach Namibia. Wie zum Beispiel Schulleiter Kuhlmann, dessen Großvater dort Missionar war. Derzeit versucht Kuhlmann eine Partnerschaft mit einer Windhoeker Schule auf den Weg zu bringen. Im kommenden Jahr soll ein dortiges Gebäude (eventuell das Theater) von einem namibisch-deutschen Künstlerduo bemalt werden.

Henning Bleyl

Morgen (2.8., ab 12.30 Uhr) wird die neue Fassade eingeweiht. Neben der Trommelgruppe des „Fuhrparks Bremen“ kommen auch Bürgermeister Scherf sowie die Senatoren Lemke und Böse zu Wort. Danach gibt‘s ein afrikanisches Fest unter anderem mit der Gruppe „Elavanyo“.