: FC Bezirksligastedt
Die Isolation der um Professionalität bemühten Fußballsparte des 1. SC Norderstedt endet in der Bezirksliga. Die Stadtwerke Norderstedt lassen als Großsponsor den ehemaligen Oberligisten fallen
von TORSTEN HOPPE
Der 1. SC Norderstedt war eine feine Adresse, wenn es um leistungsorientierten Amateurfußball ging. Der Verein – besser gesagt die Fußballabteilung – strebte an, sich als drittstärkste Kraft hinter dem HSV und dem FC St.Pauli zu etablieren.
Entsprechende Vorkehrungen wurden getroffen. Denn mit dem Edmund-Plamberg-Sportpark weist der SCN eine zweitligareife Spielstätte auf. Die Stadtwerke Norderstedt sollten die Fußballer mit dem nötigen Kleingeld versorgen, und mit Peter Nogly, früherer HSV-Star und Ex-Nationalspieler, war ein ehrgeiziger Trainer verantwortlich. „Ich hatte das Gefühl, hier viel erreichen zu können“, blickt Nogly wehmütig zurück. Er spricht in der Vergangenheit. Denn die Vision, die Mannschaft in die Regionalliga zu führen, ist passé. Die Kicker finden sich in der Bezirksliga wieder, nachdem das Präsidium um Hans-Hermann Diercks die Oberliga-Lizenz „auf Grund eines nicht zu verantwortenden Wirtschaftsrisikos“ zurückgegeben hat.
Kleingeldversorger
Immer größer werden die finanziellen Abhängigkeiten der Fußballabteilungen von Sponsoren. Mit den Stadtwerken Norderstedt stand der ausgegliederten Fußballabteilung des SCN ein zahlungskräftiger Partner zur Seite. Der geplante Etat von 500.000 Euro schien gesichert. „Das Verhältnis zwischen Sponsor und den Verantwortlichen des Liga-Fußballs war ausgezeichnet“, bekräftigt Ralf Schehr, Ex-Manager der Fußballabteilung. Doch die Gefahr, als eigenständige Abteilung in die Abhängigkeit einer einzigen Firma zu geraten, wurde missachtet.
Abhängigkeit
In einem Amateurverein mit zahlreichen anderen, gleichberechtigten Sportsparten kam es zu internen Verstimmungen. So spiegelt das Norderstedter Streben nach Professionalismus eine gewisse Blauäugigkeit der Verantwortlichen wider. „Am Ende stellten uns die Stadtwerke Bedingungen, die schon im Vorfeld als nicht erfüllbar galten mussten“, wundert sich Schehr, der nach dem Rückzug der Stadtwerke „die Welt nicht mehr verstanden“ hat. Interessen des Sponsors scheinbar auch nicht. Fußball in Norderstedt ist nicht erst seit den letzten Wochen ein heikles Thema. Der Zusammenhalt zwischen Fußballabteilung und Gesamtverein ist seit Jahren gestört.
Gestörte Verhältnisse
Nachdem 1998 der Beschluss zur Verselbständigung der Sparte – mit dem Ziel einer Vereins-neugründung – gefasst wurde, erschien die Zukunft viel versprechend. Doch der Plan schlug fehl, der „FC Norderstedt“ wurde nie gegründet. Stattdessen gingen die Vorstellungen zwischen Verein und Fußballabteilung immer weiter auseinander. „Das Präsidium des 1. SC Norderstedt kann einen Heimatverein führen, wo geturnt und gekegelt wird – vom Fußball haben diese Herren keine Ahnung“, wütet Schehr.
Doch auch die selbständige Sparte mit eigener Vermarktungsagentur konnte keineswegs den Beweis antreten, zu überqualifiziert für den Kegelsport zu sein.
Kegelverein
Bereits in der vergangenen Saison gerieten die Gehaltszahlungen nach dem Aus eines Co-Sponsors für die teure Mannschaft ins Stocken. Für den Hauptgeldgeber bedeutete dies pure Anti-Werbung. Neue Konzepte mussten her: Der Gesamtverein sollte für 38.000 Euro den Mehrheitsanteil der SMA übernehmen - und die wirtschaftlichen Geschicke der Fußballer wieder mitverantworten. Anfangs stimmte das Präsidium zu, mit dem Hinweis, dass für den endgültigen Beschluss der Wiedereingliederung auch die Absegnung der Delegierten-Versammlung nötig sei. Die Delegierten schmetterten den Vorschlag ab, der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Günther Müffelmann zog die Konsequenzen und trat zurück. „Dr. Müffelmann hat als einziges Präsidiumsmitglied Courage gezeigt“, sagt Schehr frustriert, „die Vermutung liegt nahe, dass die Vereinsführung den hochklassigen Fußball nicht mehr wollte.“
Das Aus schien besiegelt. Um so verwunderlicher, dass zunächst nichts auf einen Rückzug hindeutete. „Der Vertreter unseres Sponsors Stadtwerke, Volker Hallwachs, hatte trotz dieser Entscheidung einen geregelten Ablauf des Spielbetriebs zugesichert“, erinnert sich Schehr.
Aus
Der Schein trügte. Sieben Tage später konnte beim Treffen zwischen Sponsor, SCN-Präsidium und den Verantwortlichen der Fußballabteilung keine Einigung mehr erzielt werden - die Stadtwerke machten ihr Engagement plötzlich von der Re-Integration der Fußballer in den Verein abhängig. Eine Bedingung, die längst unwiderruflich von den Delegierten abgelehnt wurde. Die Folge: Hauptsponsor weg, Etat nicht gedeckt, Rückgabe der Oberliga-Lizenz. Was die Stadtwerke letztendlich bewog, bleibt ungewiss - seit dem Ausstieg ist Hallwachs nicht zu erreichen.
Nun wird in Norderstedt für die Bezirksliga trainiert. Was dem Verein bleibt, sind ein schönes Stadion und Regressansprüche. Den Rest soll die Jugend richten. „Wir setzen jetzt auf den Nachwuchs“, sagt Vermarktungsleiter Uli Lutkus in Hinblick auf die nächste Oberligasaison 2012.
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