: Mit Lowtech gegen die Plage
Die mechanische Bekämpfung der Heuschrecken ist in vielen Regionen noch die effektivste Methode
Während der letzten großen Schistocerca gregaria-Plage, die sich Ende der Achtzigerjahre von Marokko bis Pakistan erstreckte, wurden flächendeckend Insektizide ausgebracht. Die Chemikalien belasteten Boden und Wasser, trotzdem wurden die Heuschreckenschwärme erst durch einen Wetterumschwung entscheidend dezimiert.
Eine Alternative zur chemischen Keule sind die Pheromone. Elektrophysiologische Untersuchungen an der Universität Lund, Schweden, haben ergeben, dass Duftstoffe erwachsener Tiere die Signalübertragung zwischen jungen Heuschrecken blockieren. Besprüht man Jungtiere mit diesem Stoff, reagieren sie orientierungslos. Aus den Teilen einer synchronisierten Masse werden wieder Einzelgänger, die eine leichte Beute für Vögel sind.
Auch artspezifische Krankheitserreger wie der Pilz Metarhizium anisopliae werden zur Bekämpfung eingesetzt. Landen Sporen dieses Pilzes auf den Insekten, so keimen sie aus und durchdringen den Chitinpanzer. Anschließend durchwuchert der Pilz das ganze Tier. Einige Tage nach der Infektion sinkt die Lauf- und Kletteraktivität von Locusta migratoria-Larven, und die befallenen Tiere sterben wenig später. Auf Grund dieser Verzögerung ist der Einsatz von Pilzsporen allerdings nur gegen Larvenstadien sinnvoll.
In vielen Ländern greift man auch heute noch auf traditionelle mechanische Methoden zurück. Wird die Gefahr rechtzeitig erkannt, ist die sicherste Methode, die Gelege der Heuschrecken zu überpflügen. Dadurch kommen die Eier mit Luft, Wind und Sonne in Kontakt und trocknen aus – die gefräßige Brut kann gar nicht erst schlüpfen.
Ist dieser Zeitpunkt verpasst, gibt es noch eine zweite Chance: Rund um die Eiablageplätze werden Gräben gezogen, die Larven in diese Fallen gescheucht und lebendig begraben. Die Tiere können nicht entkommen, denn erst nach der fünften Häutung haben die Heuschrecken Flügel.
Diese Methoden sind zwar aufwändig, doch in den Ländern, die wiederholt unter Heuschreckenplagen leiden, stehen Arbeitskräfte oft eher zur Verfügung als Infrastruktur und Ausrüstung zum Ausbringen von chemischen oder auch biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln.
In Afghanistan etwa, wo zur Zeit die laut FAO (Food and Agriculture Organization) schlimmste Plage der letzten 30 Jahre wütet, wurden allein in der Provinz Samangan mehr als 10.000 Menschen für solche mechanischen Kontrollen mobilisiert.
Seit Anfang Mai wurden rund 81.000 Hektar Land behandelt und Millionen von Heuschrecken getötet. Eine effektive Bekämpfung der Larven setzt allerdings die Überwachung großer Areale voraus, was in vielen Rückzugsgebieten der Heuschrecken aus politischen und logistischen Gründen oft nicht möglich ist. VERA BETTENWORTH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen