: Dicht dran, aber draußen
Wo Angela nicht mehr parkt: Mitten im Wahlkampf führt die Neuköllner Oper im unvollendeten U-Bahnhof unter dem Reichstag ein Stück über den Aufstieg und Fall von Angela Merkel auf
von NINA APIN
Ein Parkplatz – schwarzweiß. Links und rechts ruhen große, dunkel glänzende Fahrzeuge auf ihren angestammten Plätzen. Eine Lücke aber gibt es. „Merkel“ steht auf dem Reservierungsschild, der Name ist trauriger Platzhalter für eine Person, die ihr Auto jetzt woanders parken muss. Ein Platz ist frei geworden in den Reihen der Machthaber. Steht bald ein neuer Name auf dem Schild?
Was macht eigentlich Angela Merkel? Beim Betrachten des Fotos vom Parkplatz des Bundestages erinnert man sich an sie: ostdeutsche Physikerin, politisches Ziehkind Helmut Kohls, der Quote wegen an die Macht gekommen. Parteikarriere in der CDU. Ein mädchenhaft-unsicherer Blick unter Ponyfransen, aber ein harter Zug um den Mund. Öffentliches Aufbegehren gegen den vom Parteispendenskandal erschütterten Patriarchen. Plötzlich bundesweite Anerkennung und Streben nach der Kanzlerkandidatur. Dann das Scheitern zugunsten des männlichen Kandidaten Stoiber. Kurz ruhte die Hoffnung vieler Frauen auf ihr, kurz hatte die Nation Mitleid mit ihr. Dann wurde es still um sie.
Schon jetzt existieren Aufstieg und Fall der Angela Merkel im Kollektivgedächtnis der Fernsehnation nur noch als Bilderschnipsel. Statt an ihre Tragik erinnern sich viele nur noch an ihre Frisur. Zwar ist Angela noch Parteivorsitzende der CDU, doch im medialen Wahlkampfzirkus spielt sie so gut wie keine Rolle mehr.
Die Neuköllner Oper bringt Angela nun wieder zurück ins Rampenlicht – allerdings nicht im, sondern unter dem Reichstag: „Angela“ heißt die moderne politische „Nationaloper“ von Frank Schwemmer und Michael Frowin, die am 18. August im leeren U-Bahnhof unter dem Reichstag uraufgeführt wird. Dort, dicht am Zentrum der Macht, aber doch außerhalb, ist der ideale Ort für ein Bühnenstück über eine Politikerin, die selbst am Höhepunkt ihrer Karriere immer ein wenig fremd im politischen Machtzirkus wirkte.
Unter der musikalischen Leitung von Hans-Peter Kirchberg fügen sich die Stationen einer modernen Politikerkarriere nahtlos in die traditionelle Opernform. Das Libretto von Michael Frowin will in realitätsnahen wie fiktiven Bildern Funktionsweisen der Macht sichtbar machen. Der „Chor der Journalisten“ begleitet die Bühnenfigur Merkel, wenn sie zwischen Stoiber, Schäuble, Glos, Westerwelle und Koch agiert, Streich- und Saxofon-Quartette untermalen ihren einsamen Kampf auf der Bühne der Macht, ihr Schillern zwischen Machtmensch und Marionette. Wenn Schröder und Stoiber zur Wahlkampfzeit mit ausholenden Schritten auf den Reichstag zuschreiten, erinnert sie ein zarter Choral unter ihren Füßen daran, dass in ihrer Mitte eine Lücke ist, wo Angela nicht mehr parkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen