: Suche nach dem Leck
Lufthansa-Mitarbeiter soll Politikerdaten weitergegeben haben. Grüner Fraktionschef Schlauch lehnt Rücktritt ab. Thierse nimmt Politiker in Schutz
von HANNES KOCHund LUKAS WALLRAFF
In der „Miles & More“-Affäre verdichten sich die Hinweise, dass ein Mitarbeiter der Lufthansa gezielt Daten über Politikerflüge verbreitete. Das Bundesumweltministerium hat dem Berliner Generalstaatsanwalt geschrieben, ein anonymer Lufthansa-Mitarbeiter habe telefonisch mitgeteilt, wo das Leck sei.
Der Anruf im Abgeordneten-Büro von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) war am 1. August eingegangen: Dem Anrufer zufolge gab der namentlich benannte Lufthansa-Angestellte M. die Informationen preis. Er sei im Sicherheitsbereich des Konzerns tätig und habe EDV-Zugriff auf die Politikerdaten.
Die Lufthansa hat inzwischen selbst Anzeige gegen unbekannt erstattet. Dies habe aber nichts mit dem anonymen Hinweis auf das Informationsleck zu tun, sagte eine Sprecherin der Fluglinie.
Über eine Liste der Politiker, die dienstlich erflogene Bonusmeilen für private Reisen benutzt haben sollen, scheinen bislang nur die Bild-Zeitung und der Bund der Steuerzahler zu verfügen. SPD und Grüne beschwerten sich auch am Wochenende über die gezielte Veröffentlichungskampagne gegen Politiker von Grünen und der PDS. Die Politiker Cem Özdemir (Grüne) und Gregor Gysi (PDS) waren im Zuge der Affäre zurückgetreten.
Der grüne Fraktionschef im Bundestag, Rezzo Schlauch, sieht dagegen „keinen Anlass, Ämter niederzulegen“. Schlauch hatte am Freitag eingeräumt, dienstlich erworbene Bonusmeilen für einen Privatflug nach Thailand benutzt zu haben. „Mit Sicherheit war mir irgendwann einmal bewusst, dass das nicht statthaft ist“, räumte Schlauch ein. Als er den Flug nach Thailand buchte, habe er aber nicht an die entsprechende Vorschrift gedacht.
Offenbar fiel Schlauch sein „Fehler“ erst nach dem Rücktritt seines Fraktionskollegen Özdemir auf. Nach eigenen Angaben versuchte er vergeblich, den Reisepreis an die Lufthansa zu zahlen. Danach habe er den Betrag von 7.000 Euro auf das von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) eingerichtete „Sünderkonto“ überwiesen. Für sein Verhalten wurde Schlauch aus den eigenen Reihen kritisiert. Der Brandenburger Grünen-Chef Roland Vogt sagte der Bild am Sonntag: „Ich hätte mir gewünscht, dass das Gewissen und das Erinnerungsvermögen von Schlauch bereits intakt gewesen wäre, als er sich mit dem Fall Özdemir beschäftigen musste.“ Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, forderte, „sich bei den Steuerzahlern zu entschuldigen, wenn man dienstliche Bonusmeilen privat verflogen hat“.
Bundestagspräsident Thierse nahm seine Abgeordnetenkollegen dagegen in Schutz und sagte, die Gesellschaft solle an Politiker „nicht ganz andere Maßstäbe anlegen als an sich selbst“.
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering erntete unterdessen Kritik, weil er nach der serienmäßigen Veröffentlichung von Flugdaten eine Strafanzeige gegen die Bild-Zeitung erstattet hatte. In ihrer heutigen Ausgabe zitiert Bild elf deutsche Chefredakteure, die ihm einen Angriff auf die Pressefreiheit vorwerfen.
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