: Friede und Lärm
Drei Akkorde und die Macht des Wortes: Patti Smith, bekannteste der wenigen Akteurinnen der New Yorker Punkwelle Mitte der 70er Jahre, zu Gast im Stadtpark
„Irgendwann, in einem anderen Jahrhundert, habe ich mal arrogant gesagt: ‚Ich bin eine amerikanische Künstlerin und ich fühle keine Schuld.‘ Nun fühle ich mich verpflichtet, zu betonen: ‚Ich bin eine amerikanische Künstlerin und ich fühle mich schuldig – für alles.‘ Trotzdem werde ich mich nicht abwenden. Ich werde weiterarbeiten. Das ist meine Pflicht. Ich bete zu Gott, dass ich in den nächsten Tagen nicht aufwache und Blut von afghanischen Menschen an meinen amerikanischen Händen kleben habe.“
Diese Zeilen verfasste Patti Smith nach dem 11.9. für die US-Zeitschrift Interview. Eine aktualisierte Fassung findet sich auf Smiths jüngstem Album Land (1975–2000), einer schick gestalteten Doppel-CD, die ihre bekanntesten Stücke versammelt, aber auch Coverversionen und Live-Mitschnitte für Fans vereint. Patti Smith, der man schon vielerlei Labels angehängt hat – Punk-Göttin, Straßenpoetin usw. – bezeichnet sich selbst als Arbeiterin und ihre Kunst bescheiden als „Drei-Akkorde-Rock plus die Macht des Wortes“.
In jungen Jahren zieht es die Chicagoer Arbeitertochter nach New York, wo sie mit dem damaligen Kunststudenten Robert Mapplethorpe zusammenwohnt und als Buchverkäuferin jobbt. Smith verschlingt Rimbaud, liebt Bob Dylan, James Brown und die Rolling Stones. 1969 geht sie nach Paris, Anfang der 70er kehrt sie nach New York zurück, spielt freies Theater, malt, schreibt Gedichte und Musikkritiken. Kurze Zeit später gründet sie mit dem Gitarristen Lenny Kaye – mit dem sie bis heute arbeitet – und dem Pianisten Richard Sohl eine Rockband: „Wir waren glücklich. Wir waren Super-Kameraden. Wir hatten eine Mission!“
Die erste Aufnahme wird ein Cover von Jimi-Hendrix‘ „Hey Joe“, das sie 1974 auf ihrem eigenen Label Mer veröffentlichen. Die B-Seite, „Piss Factory“ erzählt von Smith‘ Tagen als Fabrikarbeiterin und gehört zu ihren besten Songs. 1975 kommt das von John Cale produzierte Debut Horses heraus, das Patti Smith bekannt macht, zweites Album ist Radio Ethiopia (1976), ein Werk voll rauhem Rock. Die Kasse klingelt aber erst, als 1978 Easter erscheint, auf dem auch das mit Bruce Springsteen aufgenommene „Because The Night“ zu finden ist, zurzeit wieder als Hunz-Tekkno-Version im Radio zu hören. Nebenbei veröffentlicht Smith regelmäßig Gedichtbände. Nach ihrem 1979er Album Wave, das das wunderbare „Dancing Barefoot“ und das ihrem späteren Ehemann – Fred „Sonic“ Smith, Gitarrist und Mitbegründer von MC5 – gewidmete „Frederick“ enthält, zieht Smith sich ins Private zurück, macht in Detroit auf Familie und erst wieder Musik, als Geld fehlt: Mit Ehemann Fred nimmt sie 1988 Dream Of Life auf.
1994 stirbt ihr Mann an einem Herzinfarkt, wie kurz darauf auch ihr Bruder. Und noch zwei weitere wichtige Menschen verliert sie: den inzwischen zum Starfotografen avancierten Robert Mapplethorpe und ihren Pianisten, Richard Sohl. Smith stürzt sich in die Arbeit, schreibt, liest, macht Platten – Gone Again, Peace And Noise, Gung Ho – und tritt auf. Denn: „Sobald ich auf der Bühne stehe, weiß ich, warum ich da bin. Mein Publikum zeigt mir immer wieder, das es sich freut. Das hilft mir.“
Barbara Schulz
Donnerstag, 19 Uhr, Stadtpark
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