: „Überholen hat er nicht gern“
Er kam, sah und rannte: Joschka Fischer lief zehn Kilometer in 60 Minuten und hatte 200 schwitzende Sportsfreunde im Schlepptau. Eine Front von Bodyguards verhinderte zuviel Nähe
Was macht ein Außenminister nach zehn Kilometern? Luft holen und Bücher signieren. Jedenfalls die paar Exemplare von „Mein langer Lauf zu mir selbst“, die es durch nassgeschwitzte Bodyguards hindurch schaffen.
Denn bloß, weil man schon mal mit dem Außenminister joggen ist, heißt das noch lange nicht, dass man an ihn rankäme wie unter Sportsfreunden. Auch Anneliese nicht. Sie hatte gestern Geburtstag. Hatte Tante und Verwandte wieder ausgeladen, als sie hörte, dass der Außenminister in der Stadt ist. Als „Joschka-Fan“, Joggerin und Geburtstagskind sprintet man lieber mit. Trotzdem: Das gemeinsame Foto wurde ihr verwehrt.
Überhaupt war es ein Nachmittag der Verbote. „Bitte nicht so dicht an ihn ranlaufen. Und überholen hat er auch nicht so gerne“, ordnete Nicht-Mitläufer Klaus Möhle vorab übers Mikro: „Dabei sein ist hier alles.“ Das wurde den 200 Bremer Mitläufern sicherheitshalber schon telefonisch eingebläut, als man sich für das Bundeskriminalamt mit Adresse, Geburtsdaten anmelden musste. Außerdem „schwätzt der ohnehin nicht gern beim Laufen“, keuchten sich die Jogger wissend zu.
Nur durchhalten ließen sich die Parolen nicht. Joschka wurde schnell überholt. Schließlich fanden sich immer wieder Abkürzungen, um ganz vorne zum dahin zuckelnden, schwitzenden Pulk dazu zu stoßen. „Langsam angehen lassen“, hatte Joschka salopp verkündet, als er den Osterdeich runterstieg.
Zum „Pläuschschen“ mit dem Außenminister luden aber weder das Tempo noch die Joschka umzingelnden blau behelmten Bodyguards ein. Ein bisschen mehr Tuchfühlung mit der joggenden großen Politik hätten sich aber wohl die meisten gewünscht, die am liebsten mit dem Lauftreff angereist kamen. „Ich hatte gehofft, es gebe so 50er Gruppen“, sagte eine Frau enttäuscht. Andere wollten wissen, ob der Mann auch wirklich so gut läuft, wie er schreibt. Und am liebsten hätten sie ihn gefragt, ob er wohl noch mal einen Marathon angehen würde, „weil ganz so gesund sieht er ja eigentlich nicht mehr aus“.
Von Politik und Wahlkampf war nicht die Rede. Das war mehr was fürs Pier 2 und den Abend und noch mehr Zuhörer. Das gute Dutzend Protestler mit Plastikgewehren und „Nein zum Krieg“-Parolen wurde vom Joschka-Team milde übersehen.
Gezeigt hat er es den Bremern aber dann doch: Endspurt nach fünf Kilometern und 30 Minuten. Schneller. Schnaufen. Weitere fünf Kilometer lang. Da trennte sich die Spreu vom Weizen: Abbiegen zum Café Sand und mit der Fähre zurück. Oder die Marathon-Strecke über die Friedrich-Ebert-Brücke zum Café Ambiente. Zu bereitstehenden Magnesium-Brausen. Und ab in den Joschka-Bus. pipe
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