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Schwere Melonen sind süß

Auf dem Fruchthof in der Beusselstraße ist die Nacht der Tag. 50 Obst- und Gemüse-Importeure sorgen dafür, dass Berlin mit den Verführungen der Natur versorgt wird. Von WALTRAUD SCHWAB (Text) und BERND HARTUNG (Fotos)

Wer dem Fruchthof an der Beusselstraße verfallen ist, kommt nicht wieder los. „Wenn ich nicht nachts um zwölf hier einen Kaffee trinke, dann bin ich krank“, sagt Mehmet Kücükodabasi. Dabei gilt: „Zehn Jahre Fruchthof sind zwanzig Jahre Lebenszeit.“ Seit 1980 arbeitet er dort, seit zwei Jahren gehört ihm die Alfons Fähnrich GmbH. Stolz liegt in seinem Tonfall, Resignation in der Geste. Denn „die Geschäfte gehen schlecht.“ Der „Euro-Teuro“ hat den Gemüsehändlern einen Schlag ins Gesicht versetzt. Die Umstellung kam, als die Ware durch den kalten Winter rund ums Mittelmeer knapp und teuer war. Die Einzelhändler haben die Importeure als Schuldige ausgemacht. Das hängt Kücükodabasi und den anderen 50 Kollegen bis heute an. Dazu die Konkurrenz durch Supermärkte: „Die Haie fressen die kleinen Fische“, sagt er. Die Männer in der Runde nicken und holen die Zigarettenpackung aus der Hemdentasche. Jeder bietet jedem eine an. Die Gabelstaplerfahrer – Motorgazellen, Pirouettenhirsche, Roboterwiesel – schauen beim Vorbeifahren neugierig zu.

Geheimgesellschaft ist das hier. Eine Männerwelt. 1.000 unter sich. Gearbeitet wird von Mitternacht bis Mittag. Wie Disco. Zwar gilt Maloche und nicht Tanz, aber die Blicke aus den Augenwinkeln der Eroberer treffen auch in der 30 Hektar großen Halle jede Frau. Die ist wahre Minderheit. Was macht sie? Einkaufen? Den Mann stehen? Das muss sie in der Endstation des anatolischen Dorfes, der südamerikanischen Plantage, des brandenburgischen Ackers. Der Ton ist rau. Gapelstaplerfahrer ziehen ihre schnittigen Kurve eng um sie. Ein scharfes, peitschendes „He“ hilft. Im Tonfall unisex. Die Frau kennt sich aus, der Fahrer versteht. Es heißt: „Mach Platz!“ So ist Sprache international.

Auf dem Fruchthof werden 20 Prozent des Berliner Obst- und Gemüsebedarfs umgeschlagen. 300.000 Tonnen im Jahr. Wert: 500 Millionen Euro. Nachts holen die 150 Gabelstaplerfahrer die Ware aus den Kühllagern oder vom Lastwagen und bringen sie in die drahtverhauenen „Verkaufsstände“. Deren mittlere Größe: 300 Quadratmeter. Einziges Zeichen der Corporate Identity: der gelbe Streifen mit dem Namen der Importeure unter dem Hallendach.

Bei den Obst- und Gemüsebauern hat der deutsche Gaumen einen schlechten Ruf. Die Supermärkte, die direkt vom Erzeuger ordern, bekommen die schlechteste Ware. Neben dem fehlenden Geschmack gibt ihr Dumping den Verbrauchern zusätzlich die Preisvorstellung vor. Nach Skandinavien und England dagegen geht die allerbeste Qualität. Dort wird noch angemessenes Geld für die Produkte bezahlt. „Wir kaufen nach Haltbarkeit, Festigkeit und optischer Schönheit“, sagt Hüseyin Akin, Fruchthöfler mit Tradition, der im Aufsichtsrat der Genossenschaft sitzt. „In der Türkei nehmen die Leute die kleinsten Erdbeeren. Sie sind am süßesten. Hier ist Geschmack nicht das Wichtigste, wohl aber Größe.“

Überall sind die oberen Kisten auf den Stapeln geöffnet. Ein überbordendes Schlaraffenland aus Farbe, Form und Geruch bietet sich dar: straffe Apfelhäute, schimmernde Zitronenschalen, zarte Beerenaromen, plissierte Salatblätter, geschwungene Auberginenkurven, mannshohe Kisten mit drallen Melonen. „Schwer müssen sie sein, dann sind sie süß“, sagt Akin wohlmeinend. „Parallelwelt. Eine Parallelwelt ist das hier.“ Erst im Tageslicht legen die Männer sich schlafen.

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