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Gut gewappnet gegen spanischen Bären

Mit Tipps von Kollegin Kumbernuss versehen, holt Ralf Bartels bei der EM die Bronzemedaille im Kugelstoßen

MÜNCHEN taz ■ Es muss dann noch eine ziemliche Riesensause geworden sein, zu Hause in Neubrandenburg. Zwar werden auch Gerald Bergmann vor dem Fernsehgerät ein wenig die Knie geschlottert haben vor Aufregung, als Manuel Martinez, genannt „der spanische Bär“, ein letztes Mal in den Ring stieg, um die glänzende Metallkugel weiter zu stoßen als jene 20,58 Meter, die bis dahin Bronze bedeuteten. Ziemlich weit flog das 7,25-Kilo-Gerät, und quälend lange Sekunden dauerte es, bis die Weite eingeblendet wurde. Dann aber dürfte Bergmann ein Stein, so schwer wie zehn Kugelstoßkugeln, vom Herzen gefallen sein: Nur 20,16 m hatte Martinez zu Wege gebracht. Weil nur noch die beiden Führenden, der Däne Joachim Olsen (21,16 m) sowie der Ukrainer Yuriy Bilonog (21,37 m), einen Versuch übrig hatten, stand Bergmanns Schützling Ralf Bartels plötzlich als Gewinner der Bronzemedaille fest.

Die Riesensause in Neubrandenburg dürfte Gerald Bergmann ziemlich genau in dem Augenblick gestartet haben, in dem Bartels seine mächtigen Arme in den regnerischen Abendhimmel von München reckte. Dass der Trainer nicht hautnah und direkt vor Ort mit seinem Zögling feiern konnte, mag ein wenig Traurigkeit in all die Freude gerührt haben, doch EM-Akkreditierungen gab es lediglich für Betreuer von Medaillenkandidaten. Dass Bergmann zu Hause vor der Glotze saß, ist also auch untrügliches Zeichen dafür, dass Bartels nun wirklich keiner auf der Rechnung hatte.

„Jetzt hoffe ich halt, dass er das nächste Mal dabei ist“, sagte Ralf Bartels strahlend. Richtig begriffen, was für ein Coup ihm da gelungen war, hatte er noch nicht. „Ich habe schon gedacht, dass man für eine Medaille um die 21 Meter stoßen muss“, verriet der 24-Jährige. Dass es die seine für deutlich darunter gab, schrieb Bartels freimütig den äußeren Bedingungen zu. Der dauerhafte Regen hatte den Kugelstoßring rutschig und unberechenbar gemacht, nicht alle Kollegen kamen damit zurecht. Am besten zu sehen war das beim Spanier Martinez, der im dritten Durchgang die 21-m-Marke deutlich übertroffen hatte, dann aber der Wucht des eigenen Stoßes auf dem seifigen Untergrund nicht standhalten konnte und der Länge nach aus dem Ring flog. „Hätte er diesen Versuch gehalten, wäre ich jetzt nicht Dritter“, so Bartels.

Gemächlich und solide geht der Soldat der Sportfördergruppe seiner Passion nach, mit allem anderen, vor allem mit wundersamen Leistungssprüngen, macht man sich im Reich der starken Männer ohnehin nur verdächtig. Bartels hingegen robbt sich langsam ran an die Weltspitze: 20,30 m hatte er im letzten Jahr als Bestleistung, 20,50 m waren in diesem geplant. Dass Bartels es bereits im Juni auf 20,85 m brachte, hat ihn selbst ein wenig erstaunt. Jetzt peilt der ehemalige Junioren-Welt- und Europameister die 21 m und damit die absolute Weltspitze an, in der er künftig ein Wörtchen mitreden will, ganz egal, wo gerade Plaketten vergeben werden. „Irgendwann einmal bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen“, lautet sein Ziel. Die deutsche Nummer eins ist er in Abwesenheit des an den Bandscheiben operierten Oliver-Sven Buder ohnehin.

Noch hat der für Kugelstoßerverhältnisse mit 1,86 m eher kleine, mit 125 Kilo Körpergewicht aber durchaus schwere junge Mann dieses Grundniveau nicht, daran ändert auch die Bronzemedaille nichts. Aber er scheint auf gutem Wege, an fachkundiger Unterstützung mangelt es außerdem nicht. Zu Hause, beim SC Neubrandenburg, liefert sich Bartels bisweilen heiße Trainingsduelle mit Astrid Kumbernuss, der Weltmeisterin und Olympiasiegerin von 1996. „Von ihr habe ich sehr viel lernen können“, bekennt Ralf Bartels. „Sie hat mir einige Tipps gegeben.“ Es scheinen sehr gute Tipps gewesen zu sein. FRANK KETTERER

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