: Vertrauen für Vladimír Špidla
Das tschechische Parlament segnet die Erklärung der neuen Regierung ab. Die setzt auf Soziales, Bürgernähe und eine Politik der Verständigung mit ihren Nachbarn
PRAG taz ■ Es ist offiziell: Die neue tschechische Regierung genießt das Vertrauen des Abgeordnetenhauses. Nach einem zehnstündigen Diskussionsmarathon segneten die tschechischen Parlamentarier das Regierungsprogramm des Kabinetts von Premierminister Vladimír Špidla ab. Der gab sich zuversichtlich: „Ich glaube, dass die Regierung die gesamte Wahlperiode durchhält, weil sie gut durchdiskutiert ist und auf einer eigenen, festen politischen Basis beruht“, sagte er.
Etwas Spannung herrschte dennoch. Zwar hat in der inzwischen zehnjährigen Geschichte der Tschechischen Republik ein Parlament noch nie die Regierung durchfallen lassen. Diesmal aber war es knapp. Die herrschenden Parteien haben nur eine Mehrheit von zwei Stimmen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus. Geschlossenheit war gefragt. Die Opposition aus Kommunisten und der konservativen Bürgerpartei (ODS) hatte vorher erklärt, gegen die Regierung zu stimmen. Sie verzögerte die Abstimmung, die für Montag vorgesehen war, dadurch, dass sie Špidla zwangen, die 50-seitige Regierungserklärung, dem Haus noch einmal vorzulesen.
Vladimír Špidla sei „der arroganteste Verbrecher“, erklärte der geschasste Möchtegern-Premier und Noch-ODS-Chef Václav Klaus. Dem Vorkämpfer einer „Marktwirtschaft ohne Attribute“ liegt nicht nur die Wahlniederlage noch schwer im Magen, sondern auch die Absichten der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und der rechtsliberalen „Koalition“. So will Špidla, der davon träumt, sein Land zu einem Schweden Mitteleuropas zu machen, nach klassischen sozialdemokratischen Mustern vorgehen: Unterstützung für Familien, d. h. Steuererleichterungen für Ehepaare, Kindergelderhöhungen und ein erschwingliches Gesundheitssystem sind daher fest im Regierungsplan enthalten. Zudem verspricht die Erklärung einen EU-Beitritt „unter Aushandlung der bestmöglichen Bedingungen“ genauso wie einen „intensiven Kampf gegen alle Formen der Korruption und Wirtschaftskriminalität“. Das Schmankerl der Regierungserklärung ist aber das erklärte Ziel, die Tschechische Republik bürgerfreundlicher zu machen. So will das Kabinett per Gesetzesänderung Volksabstimmungen möglich machen, die direkte Wahl des Präsidenten verfassungsrechtlich verankern und die sture Bürokratie abschaffen.
Dem nahen Ausland gegenüber signalisiert die Truppe um Špidla Verständigungsbereitschaft. Außenminister Cyril Svoboda hat schon vorsichtig angekündigt, dass vielleicht doch noch was mit den Beneš-Dekreten zu machen sei. Und sind die Sudetendeutschen hoffnungsfroh, können es die Österreicher erst recht sein: Unterstreicht die Regierung in der Erklärung doch klar, dass sie „im Verhältnis zu Österreich eine vollkommene Erfüllung des Melker Abkommens über die Sicherheit des Kkw Temelín“ durchsetzen will.
ULRIKE BRAUN
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