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Wegen eines V-Mannes gerät Brandenburgs Innenminister Schönbohm in die Kritik. Vorwurf: Verfassungsschutz finanziert Nazimusik

BERLIN taz ■ Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gerät jetzt auch von Seiten des Koalitionspartners SPD unter Druck. Anlass ist die Affäre des seit drei Wochen in Berlin inhaftierten Neonazis und V-Manns des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Toni S. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Werner-Siegwart Schippel, warnte gestern: „Wenn sich herausstellen sollte, dass dieser V-Mann Straftaten wie Mordaufrufe begangen hat, ist das Maß überschritten.“

Toni S., der gemeinsam mit dem gewalttätigen Berliner Neonazikader Lars Burmeister vor drei Wochen bei einem rechtsextremen Konzert in Berlin-Marzahn festgenommen wurde, soll seit rund zwei Jahren als V-Mann nicht nur an dem Vertrieb, sondern auch an der Produktion von rechtsextremer Hassmusik beteiligt gewesen sein. S. betreibt einen Laden für Nazi-Devotionalien in Guben.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen war er an der Produktion von zwei CDs beteiligt, in denen zum Mord an Prominenten wie Michel Friedman, Rita Süssmuth und dem brandenburgischen Generalstaatsanwalt aufgerufen wird. Dazu gehört die CD „Ran an den Feind“ der Berliner Neonaziband Landser, gegen deren mutmaßliche Mitglieder die Generalbundesanwaltschaft wegen „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Bei der zweiten CD handelt es sich um „Noten des Hasses“ des Bandprojekts „White Aryan Rebels“.

Toni S. soll ausgesagt haben, die Herstellung der CDs in einer jeweiligen Auflage von 3.000 Stück sei vom Brandenburger Verfassungsschutz finanziert worden. Gegen Toni S., seinen brandenburgischen V-Mann-Führer und ein halbes Dutzend weiterer Beschuldigter ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin nun wegen „Verbreitens verfassungswidriger Propaganda“ im großen Stil. Ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums sagte dagegen am Donnerstag, nach einer umfassenden internen Überprüfung gebe es keine Anhaltspunkte für Rechtsbrüche des Potsdamer Verfassungsschutzes. An den 27- jährigen Informanten seien keinerlei Gelder für die Produktion von Hassmusik-CDs geflossen.

Zwei Wochen lang hatten sich in der V-Mann Affäre Berlin und Brandenburg gegenseitig „Unprofessionalität“ und Dilettantismus vorgeworfen und die Öffentlichkeit mit immer neuen Details über die Aktivitäten des V-Manns und das angebliche Engagement befreundeter Dienste gefüttert. Schönbohm muss überdies neue Peinlichkeiten befürchten. Nach Auskunft des „Antifaschistischen Pressearchivs“ soll sich einer der Hauptaktivisten des verbotenen Neonazi-Musiknetzwerks Blood & Honour, Sven S. aus Borkwalde, als Informant des brandenburgischen Landeskriminalamts betätigt haben. HEIKE KLEFFNER

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