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Scheinbar spart nicht

Senator Dräger hofft auf „Bereinigungseffekt“ durch Gebühren für Langzeitstudierende. Dabei zahlen die ganz normal in Kranken- und Rentenkasse ein

Kommt im Herbst 2003 die geplante Gebühr für Langzeitstudierende, werden 20 bis 25 Prozent der Studierenden zur Kasse gebeten. Wissenschaftssenator Jörg Dräger rechnet dann mit einem „Bereinigungseffekt“. Es sei zu erwarten, dass sich all jene Studierenden exmatrikulieren, die nur pro forma eingeschrieben seien, um beispielsweise Versicherungen zu sparen, aber nicht das Ziel haben, ihre Ausbildung abzuschließen, sagte er jüngst in einem Pressegespräch.

Der wissenschaftspolitische Sprecher der GAL, Willfried Maier, will diese Äußerungen nicht auf sich beruhen lassen. „Mit bloßen Vermutungen dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Es muss geprüft werden, ob und welche Vergünstigungen Studierende heute tatsächlich haben“, fordert der Grüne Ex-Senator.

In einer Kleinen Anfrage an der Senat will Maier deshalb wissen, ob es zutrifft, dass die Krankenkassen die günstigen Studententarife nur bis zum Ende des 14. Fachsemesters, längstens jedoch bis zum 30. Lebensjahr anbieten. Auch fragt der GALier, ob wahr sei, dass Studierende Rentenversicherung zahlen müssen, wenn sie eine Tätigkeit ausüben, die über die Grenze für geringfügige Beschäftigung hinausgeht.

Ein Anruf bei der „Techniker Krankenkasse“ (TKK) bestätigt Maiers Vermutungen. Studierende zahlen bundesweit einen einheitlichen Satz von 44,20 Euro im Monat. Nach Ablauf des 14. Semesters, spätestens aber nach dem 30. Lebensjahr ist damit jedoch Schluss. „Es besteht die Möglichkeit für eine Überbrückungsphase von maximal einem halben Jahr“, erklärt Michaela Speldrich von der TKK.

Anschließend müssen Studierende aber den Tarif für Arbeitslose zahlen, sprich 12,7 Prozent eines fiktiven Einkommens von 700 Euro, also 90 Euro. Dieser so genannte „Hausfrauentarif“ steht jedoch allen Stellenlosen zu, egal, ob sie immatrikuliert sind, oder nicht. Arbeitet der Studierende und verdient dabei mehr als 335 Euro, muss er zudem Rentenbeiträge zahlen. Ein Studium nur zum Schein bietet also wenig Vorteile.

Der GAL-Politiker hat gleich noch zwei weitere „Kleine Anfragen“ gestellt, um sich an Drägers Äußerungen abzuarbeiten. So hatte der Senator verkündet, Langzeitgebühren böten einen „Anreiz für die Hochschulen, auf die Belange der Studierenden besser einzugehen“ und Angebote wie Teilzeitstudiengänge zu schaffen, von denen es jetzt noch viel zu wenige gibt. Maier will nun wissen, worin dieser Anreiz bestehen soll, wenn Hochschulen künftig für jeden Langzeitstudenten 500 Euro pro Semester kassieren. Auch sei ihm nicht klar, wieso der Senator einen Mangel an Teilzeitstudiengängen beklagt und gleichzeitig in seinem Gesetzentwurf den Paragrafen zur Schaffung dieser Angebote von einer Soll- in eine Kannbestimmung ändert. KAIJA KUTTER

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