: Viel Sommerloch, wenig Sommer
Biersteuer, Kneipenstreit und Sex im Treppenhaus. Je mehr es regnet, desto anfälliger werden die Hauptstädter für Hitzestich und ähnliches. Nun drohen auch noch ein Kinostreik und ein Mahnfeuer. Ein Ende ist nicht in Sicht
Auweia!, Bier teurer, Wein teurer, und alles wegen der EU. Unter dem Deckmantel der Steuerharmonisierung wollen uns die Brüsseler Stubenhocker den Sommer vermiesen. Doch wo das Drohende naht, wächst bekanntlich auch das Rettende. Nach der CSU hat nun auch der Berliner Kanzler sein Nein zu Bier- und Weinsteuer erdonnern lassen. Nur das Wort „deutscher Weg“ ist ihm dazu noch nicht eingefallen.
Drohendes und Rettendes, das ist der Stoff, aus dem die Sommerlochgeschichten gemacht sind, deren Berlinischste derzeit in Friedrichshain stattfindet. Es drohte den Bewohnern der Lärmtod, doch dann nahte der Bezirk und ordnete den Sommerschluss-, soll heißen Räumungsverkauf in den Schankvorgärten an. Das wiederum bedrohte die Wirte, denen prompt der Baustadtrat zu Hilfe eilte. Oh, Berliner Provinz, gib uns mehr von solchen Geschichten!
Doch daraus wird leider nichts werden. Schuld ist, wie kann es anders sein, das Sommerwetter. Regnen tut es bakanntlich vor allem am Abend, dann also, wenn es auf die Piste geht. Oder ins Kino. Wäre da nicht Ver.di. Bei der Vereinigten Spaßbremsergewerkschaft liegen schon die Pläne für einen Kinostreik in der Schublade. Mitten im Sommer! Wenigstens mit dem Bankenstreik hätten die das doch zusammenlegen können, von wegen: Kein Geld, kein Kino, oder? Ham’se aber nich’. Am heißen Wetter oder Hitzestich kann’s nicht gelegen haben.
Überhaupt: Je weniger Sommer, desto mehr Sommerloch. Das ist der Trend, der sich gerade beobachten lässt. Seit Tagen schon lockt uns der Kurier mit „Sex an gewagten Orten“. Doch auch diese Erregungskurve ist wetterabhängig. Gestern trieben’s Eva und Marcel im Treppenhaus ihres renovierten Altbaus in Prenzlauer Berg. „Da drehte Marcel mich um. Er kniete sich vor mir nieder … sie wissen bestimmt.“ Wahrscheinlich ist morgen dann der Kühlschrank dran. „Uns war so heiß, da verkrochen wir uns …“
Wenigstens die Bewag weiß, wo sie dran ist. Vögeln im Kühlschrank steigert den Stromverbrauch ebenso wie Lesen bei Festbeleuchtung oder Schlammlawinengucken in der Glotze. Bewag steigert Umsatz, meldete gestern dpa. So wird das nie was mit der Ökosteuer.
Wie gut, dass wir da die Studierenden von der Humboldt-Uni haben. Die wollen heute nämlich mahnen, gegen die Umweltprobleme in deutschen Gebirgen, ja, und auch im Thüringer Wald. Ein eigenes Mahnfeuer soll dafür angezündet werden, eines von sechzig, und natürlich das nördlichste. Recht haben sie. Ein bisschen einheizen ist schon nicht verkehrt.
Und hier die Aussichten für die nächsten Tage. Es bleibt, wie es ist. Mindestens bis zum 22. September. UWE RADA
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