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Leichen im Haus des Gouverneurs

Ugandas Armee im Kongo übernimmt die Kontrolle über die zwischen Milizen umkämpfte Goldstadt Bunia. Die bisherigen Herrscher, die sich mit Kongos Präsident Kabila liiert hatten, sind vertrieben. UN-Beobachter entdecken mehrere Massengräber

von DOMINIC JOHNSON

Von einem „Drama wie aus einem anderen Zeitalter“ spricht die kongolesische Zeitung La Référence Plus, von „interfraktionellen Kämpfen zwischen ethnischen Gruppen“ die ugandische Zeitung New Vision. In der Stadt Bunia im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, unweit der Grenze zu Uganda, finden UN-Beobachter dieser Tage ein Massengrab nach dem anderen: 37 Zivilisten, außer dreien alles Frauen und Kinder, in einer Farm am Stadtrand am Donnerstag; 38 Zivilisten, die Hälfte davon Frauen und Kinder, in einem Dorf am Freitag; 15 Tote, die meisten Soldaten, in der Residenz des flüchtigen Provinzgouverneurs mitten in Bunia am Sonntag. „Es gibt mit Sicherheit noch mehr Tote“, erklärte UN-Leutnant Tim Watts.

Die vielen Toten sind das Ergebnis blutiger Kämpfe, im Laufe derer die bisher im Nordosten Kongos herrschende Rebellengruppe RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung) das als Zentrum des regionalen Goldhandels geltende Bunia an eine Gruppe von Dissidenten unter dem früheren eigenen Militärchef Thomas Lubanga verloren hat. Lubanga sitzt in Kongos Hauptstadt Kinshasa im Gefängnis. Er wurde im April von der Armee Ugandas, die seit vier Jahren in diesem Teil des Kongo Rebellen unterstützt, verhaftet und überstellt, als Beweis einer neuen Freundschaft zwischen den Regierungen Ugandas und Kongos, die sich im April mit einem politischen Abkommen und im Juni mit einem Ölgeschäft manifestierte. Inzwischen aber ist diese Freundschaft arg strapaziert. Kongos Regierung unter Joseph Kabila schenkte der einst von Uganda gebildeten RCD-ML Uniformen und Geld, um den ugandischen Einfluss zu schmälern. So fing Uganda an, vor Ort die Gegner der RCD-ML zu unterstützen – eben die Anhänger des inhaftierten Lubanga, die sich als „Union kongolesischer Fortschrittlicher“ (UPC) zusammengeschlossen haben, sowie die winzige RCD-N (RCD-National) unter dem Mineralienhändler Roger Lumbala, die die Grenzregion zum Sudan beherrscht.

Die neue Allianz Ugandas und dieser Splittergruppen gegen die nun als pro Kabila geltende RCD-ML war klug gewählt, denn die RCD-ML hat sich durch ihr Bündnis mit Kabila diskreditiert. Sie hat mehrere hundert ruandische Hutu-Milizionäre bei sich aufgenommen und diesen Zugang zu den großen Goldminen von Kilomoto gewährt. Der RCD-ML-Gouverneur von Bunia, Jean-Pierre Mulondo, hat außerdem Milizionäre des Lendu-Volkes aufgerüstet, die seit Jahren einen äußerst blutigen Vertreibungskrieg gegen das Viehzüchtervolk der Hema führen – ein Krieg, der seit April wieder aufflammt.

Letzte Woche griff Uganda direkt in das Chaos ein. Am Freitag nahmen ugandische Truppen Bunia ein, vertrieben die RCD-ML und ließen Kämpfer von UPC und RCD-N hinein. Jetzt gewährleistet Uganda nach eigenen Angaben die „Sicherheit“ in der Stadt – eine Sicherheit, die Totenstille nach einer Serie blutiger Massaker aller Seiten ausdrückt.

Das militärische Machtwort aus Uganda in Bunia kommt kurz nach dem Beginn der Ölförderung durch die mit Söldnern liierte kanadische „Heritage Oil“ auf der ugandischen Seite des Grenzstreifens, in dessen Nähe Bunia liegt. „Heritage Oil“ bekam im Juni von Kongos Regierung das Recht auf Ölsuche auch auf der kongolesischen Seite der Grenze zugesprochen – also dem Schauplatz der jüngsten Kämpfe. Dieser Öldeal war noch ein Ausdruck kongolesisch-ugandischer Freundschaft. Die Schlacht um Bunia zwischen Uganda und RCD-ML scheint der Ausdruck von deren Ende zu sein.

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